Eine greifbare Erinnerung
Verstirbt ein Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt, schenkt der Verein „Sternenzauber & Frühchenwunder“ den Eltern individuell angefertigte Handarbeiten – und damit Trost und Zuwendung.
Das Kind ist erwartet worden, in den Gedanken seiner Eltern hatte es bereits einen festen Platz im gemeinsamen Leben. Was Väter und Mütter empfinden, wenn dieses Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt stirbt, das fassen sie auf der Facebookseite des Vereins „Sternenzauber & Frühchenwunder“ in Worte. „Ohne dich. Zwei Worte und doch so unendlich schwer zu ertragen“, schreibt eine Mutter. Und ein Vater schildert: „Wie in einem Tunnel bin ich gefangen. Ich als Papa leide so sehr, auch mein Herz tut weh.“
Eine Handarbeit wird dem Kind mitgegeben
„Wenn eine Schwangerschaft nicht 40 Wochen dauert, sondern sich das kleine Wunder zu früh auf die Reise begibt oder stirbt, dann beginnt unsere ehrenamtliche Arbeit“, sagt Melanie Bähr, Sprecherin des Vereins „Sternenzauber & Frühchenwunder“. Denn dessen Mitwirkende spenden nicht nur Trost und Zusammenhalt durch den Austausch, sie bieten den Betroffenen ebenso in Handarbeit hergestellte und damit ganz individuelle Erinnerungsstücke an.
Ein kleiner Schmetterling, gehäkelt aus blauer Wolle und mit einer glänzenden Schleife verziert, ein Stein, bemalt mit einem Herz und beschriftet mit dem Namen des Kindes, ein Teddybär aus flauschigem Stoff oder ein winziges Kleidungsstück für zu früh geborene oder verstorbene Kinder werden unter anderem von ehrenamtlich engagierten Menschen angefertigt und vom Verein verschenkt. „Die Familien der verstorbenen Sternchen erhalten Erinnerungsstücke, von denen eines ihrem Kind mitgegeben wird“, erklärt Melanie Bähr. Eine weitere Handarbeit verbleibe bei den Vätern und Müttern. „Mit ihr haben Familien die Möglichkeit, ihr Kind nicht nur im Herzen, sondern auch in Form von greifbaren Verbindungsstücken immer bei sich zu tragen.“
Der Wunsch nach sichtbarem Gedenken
Etwa 30.000 Kinder sterben laut Verein „Sternenzauber & Frühchenwunder“ jährlich während der Schwangerschaft, während der Geburt oder kurze Zeit danach. „Bei den Fehlgeburten gibt es eine Dunkelziffer, denn sie werden oft nicht statistisch erfasst“, sagt Vereinssprecherin Melanie Bähr. „Doch natürlich schmerzt es die Menschen genauso, wenn sie ihr Kind bereits in der sechsten oder siebten Schwangerschaftswoche verlieren.“
Dass der Bedarf nach Trost, nach Zuspruch und einem Erinnerungsstück bei früh verwaisten Eltern groß ist, das erleben die Engagierten aus dem 2016 im westfälischen Hamm ins Leben gerufenen Verein tagtäglich: „Die Nachfragen steigen ständig, und ebenso gibt es erfreulicherweise immer mehr Menschen, die handarbeiten oder Geld und Materialien spenden“, berichtet Melanie Bähr. Mittlerweile beliefert der Verein rund 400 Krankenhäuser, Hebammen, Hospize, gynäkologische Praxen und Bestattungsunternehmen in Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz. Mehrere tausend Ehrenamtliche stellen Handarbeiten her, sie kümmern sich um Verwaltung und Organisation oder das Lagern der gespendeten Materialien und Nähmaschinen, sie organisieren lokale, regionale und länderübergreifende Treffen.
„Dass sie mit uns bei Facebook den ersten Kontakt aufnehmen, dort über ihren Verlust sprechen und von ebenfalls Betroffenen lesen, das ist für viele Eltern eine Ermutigung“, erlebt Melanie Bähr. Das Internet biete somit ein niederschwelliges Angebot, das oft in lokale Treffen und persönlichem Kennenlernen münde.
Ein fester Platz im Leben der Eltern
Auch wenn der Satz „Ihr könnt doch noch andere Kinder bekommen“ öfter falle und die Eltern schmerzlich treffe, so ist die Vereinssprecherin doch froh, dass sich der Umgang mit den Eltern früh verstorbener Kinder in der Gesellschaft positiv verändert hat: „Ihre Trauer wird in den meisten Fällen vom Umfeld und in den Kliniken wahrgenommen.“ Seit Mai 2013 kann die Geburt außerdem beim Standesamt angezeigt werden, das Kind erhält damit offiziell eine Existenz. Zuvor war eine solche Dokumentation bei Kindern, die mit einem Gewicht unter 500 Gramm tot geboren wurden, nicht möglich. Jetzt kann solch eine Eintragung sogar rückwirkend durchgeführt werden.
Und das greift auch der Verein „Sternenzauber & Frühchenwunder“ auf: „Jeder erhält von uns ein Andenken, egal, wie lange der Tod des Kindes zurückliegt“, betont Melanie Bähr. Denn auch nach 50 Jahren könnten Menschen eine Erinnerung und damit einen guten Abschluss des Erlebten benötigen.
Viele Eltern bewahren die kreativ angefertigten Erinnerungsstücke in einer Truhe oder Schachtel auf, die sie nach Bedarf hervorholen und öffnen. „Andere haben sich mit den Handarbeiten und einer Kerze, die sie regelmäßig anzünden, eine Ecke in ihrem Zuhause eingerichtet“, berichtet Melanie Bähr. Und dass ein Mensch ihr Kind wahrgenommen, sich für es Zeit genommen und ihm etwas Persönliches angefertigt habe, das sei für viele Eltern ein wichtiger Trost.
Kontakt zu „Sternenzauber & Frühchenwunder“ gibt es unter der Mailadresse info@sternenzauber-fruehchenwunder.de oder über die Facebook-Seite des Vereins.
06. April 2019