Ein Leuchten umschließt die Welt

Am 9. Dezember 2018 stellen Eltern um 19 Uhr zum Gedenken an ihre verstorbenen Kinder eine angezündete Kerze in das Fenster. Wie an jedem zweiten Sonntag in diesem Monat, ist es der Tag des „Worlwide Candle Lighting“ – des weltweiten Kerzenanzündens. Vielerorts gibt es zudem Gedenkfeiern. Christiane Hoffmann, Mitglied im Verein „Trauernde Eltern & Kinder Rhein-Main e.V.“, spricht über die Bedeutung dieses Tages.

Was verdeutlichen die erleuchteten Kerzen in den Fenstern?

Jedes Licht versichert den Eltern, dass sie nicht alleine sind und bringt ihre Verbundenheit in der Trauer zum Ausdruck. Und dieses Licht geht um die ganze Welt: Während die Kerzen in einer Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten angezündet. So entsteht ein Leuchten, dass 24 Stunden lang die ganze Welt umschließt.

In Deutschland sterben jährlich ungefähr 20.000 Kinder und Jugendliche. Das Kerzenlicht verdeutlicht, dass diese jungen Menschen die Welt erhellt haben und nie vergessen sein werden. Es steht auch für die Hoffnung, dass die Trauer das Leben der Angehörigen nicht für immer dunkel bleiben lässt.

Dass die Kinder für immer ihren Platz in Leben der Angehörigen haben, kommt auch bei den Gedenkfeiern zum Ausdruck?

Bei unserem ökumenischen Gottesdienst in Mainz tragen die Eltern den Namen ihres Kindes in ein Buch ein, und für jedes Kind wird ein Licht in einem großen Leuchter entzündet. Später werden alle Namen verlesen.

Bei dem Gottesdienst sind nach Möglichkeit die ausgebildeten Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter dabei. Der Gedanke der gegenseitigen Hilfe steht auch hinter den Trauergruppen unseres Vereins, dessen Leitidee in dem Zitat aus Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ zum Ausdruck kommt: „Lange saßen sie dort und hatten es schwer. Aber sie hatten es gemeinsam schwer und das war ein Trost. Leicht war es trotzdem nicht.“

Diese tragende Gemeinschaft steht auch hinter den Treffen von Trauergruppen?

Ja, denn in den Gruppen erleben die Eltern: „Du bist nicht alleine.“ Seit dem Tod unseres Sohnes 2007 finde ich bei den Trauernden Eltern einen Ort, an dem meine Gedanken und Gefühle ihren Platz haben. Ich muss sie nicht erklären, denn die anderen verstehen sie sofort.

Unsere Trauer wird von unserem Freundeskreis und von der Nachbarschaft mitgetragen. Bis heute denken die Menschen sowohl am Todestag als auch am Geburtstag unseres Sohnes an uns. Doch oft erleben verwaiste Eltern, dass sich die Menschen in ihrer Umgebung abwenden. Auch wenn das meist aus einer Unsicherheit oder aus eigenen Ängsten heraus geschieht – es lässt die betroffenen Eltern doch einsam und unverstanden zurück.

Sollte man die Eltern in der Nachbarschaft ansprechen, wenn man bei ihnen ein Licht im Fenster gesehen hat?

Das ist nicht einfach zu beantworten. Denn es kann natürlich sein, dass in diesem Moment die Gefühle der Eltern wieder aufbrechen. Aber ja, ich denke, dass ein Ansprechen besser ist als das Schweigen. Über den Verlust der Menschen in der unmittelbaren Umgebung sollte nicht hinweggesehen werden.

Es ist gut, dass das Verschweigen nicht mehr so häufig geschieht. Mittlerweile wird die Trauer gesehen, und so werden auch trauernde Kinder wie etwa die aus der Schulklasse meines Sohnes von qualifizierten Begleiterinnen und Begleitern betreut. Es gibt viele ältere Menschen, die uns ansprechen, wenn wir öffentlich über unsere Arbeit informieren. „Ach, hätte es das doch früher auch gegeben“, sagen sie. Daher sind natürlich auch Menschen zu den Gedenkfeiern eingeladen, deren Verlust einige Jahre oder Jahrzehnte zurückliegt.

Haben zu diesem Wandel haben auch die Trauergruppen und ihre Öffentlichkeitsarbeit beigetragen?

Das denke ich. Die Idee zu dem „Worlwide Candle Lighting“ kommt aus den USA und entstammt der Bewegung „The Compassionate Friends” – der mitfühlenden Freunde. Der Geistliche und Initiator Simon Stephens merkte vor mehr als 40 Jahren, dass sich trauernde Eltern gegenseitig besser unterstützen und helfen können, als er es je könnte.

Wenn Eltern nun Kerzen anzünden und Namen nennen, werden sie auch dabei aktiv.

Sie werden aktiv und sind damit nicht mehr vollkommen ohnmächtig ihrem Verlust ausgeliefert. Das Anzünden eines Lichtes ist ein Ritual, das die Menschen seit Urzeiten als einen Akt gegen die Dunkelheit vollziehen. Es gibt ihnen Hoffnung.

Für mich ist das Licht auch ein Zeichen der Hoffnung und der Dankbarkeit, dass ich meinen Weg weitergehen kann. Ich bewege mich als Trauernde auf dünnem Eis und breche darin oft ein, ich versinke aber nicht mehr in die bodenlose Tiefe.

Gedenkfeiern:

Mainz-Lerchenberg: Ökumenischer Gottesdienst ab 15 Uhr in der St. Franziskus-Kirche an der Rubensallee 1-5. Die Kirche ist ab 14 Uhr geöffnet, im Anschluss besteht die Möglichkeit zu einem Beisammensein.

Darmstadt: Ökumenische Erinnerungsandacht ab 16 Uhr in der Stiftskirche an der Erbacher Straße 21.

Bundesweit gibt es Gedenkfeiern, sie sind auf der Seite des Bundesverbands Verwaister Eltern veröffentlicht.

03. Dezember 2018