Den Tod interessiert keine Rebellion

Texte von Patti Smith oder Lieder von Bob Dylan: Wie Alter, Endlichkeit und Tod von älter werdenden Musik-Ikonen verarbeitet werden, beschreibt ausführlich die aktuelle Broschüre „DARK NOT YET“ der hannoverschen Landeskirche.

„Dies ist ein gesegneter Moment am Ozean“, schreibt die US-amerikanische Sängerin, Texterin und Lyrikerin Patti Smith zu ihrem Foto beim sozialen Netzwerk „Instagram“. Es sei ein Moment, in dem Einsamkeit verschwinde und materielle Dinge ihre Gewichtigkeit verlören, erläutert die 72-Jährige das Bild, das sie mit ergrauten Haaren vor den Wellen zeigt.

Ob Patti Smith, Bob Dylan, oder Leonard Cohen: Die Musik-Ikonen der 68er sangen einst von Liebe, Sex, Drugs und Rock’n’Roll und lehnten sich damit gegen das Establishment auf. Doch gegen den Tod lässt es sich schwer auflehnen: Er ist nicht aufzuhalten, er kommt einfach, und ihn interessiert die Rebellion nicht.

Anregungen für die Gemeindearbeit

Und so werden auch Rockstars älter und beschäftigen sich mit der Endlichkeit. Sie greifen die Einsamkeit und das Alter, den Tod und das Sterben oder die eigene Erkrankung auf. Wie die Popmusik-Kultur diese existentiellen Themen verarbeitet, zeigt anhand bekannter Songs die neue Broschüre „NOT DARK YET“ des Arbeitsfeldes „Kunst und Kultur“ aus dem Haus kirchlicher Dienste (HkD) der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers: Auf 76 Seiten finden sich in ihr Anregungen für die Gemeinde- und Gruppenarbeit, für Gottesdienst und Andacht in Kirchengemeinden.

Die Popmusik-Kultur sei ein Spiegel und Bestandteil unserer postmodernen Gesellschaft, schreibt Dr. Matthias Surall, Leiter des Fachgebiets „Kunst und Kultur“ in Hannover, im Vorwort der Broschüre. „Da gibt es natürlich nach wie vor das Phänomen von Verdrängung, Tabuisierung oder Schönfärberei des Alters und seiner Begleitumstände.“ Doch zunehmend sei eben auch eine deutliche Ehrlichkeit im Umgang mit dem Alter und eine offene Thematisierung des Todes zu beobachten.

Dass der Tod immer mehr aus der Tabuzone geholt wird, dafür sorgen seit vielen Jahren die Hospizarbeit mit ihrer offensiven Öffentlichkeitsarbeit und eine älter werdende Gesellschaft: Die Babyboomer setzen den Tod auf die Tagesordnung – und nutzen dafür auch die Lieder ihrer Rockstars. Zwei Autorinnen und sieben Autoren stellen daher in der Broschüre „DARK NOT YET“ einen Bezug zwischen Liedtexten und Bibelstellen her und geben Anregungen, wie der jeweilige Song sich im kirchlichen Zusammenhang einsetzen lässt. Vorgestellt und besprochen werden 20 Songs von Künstlerinnen und Künstlern wie Johnny Cash, Patti Smith und Paul Simon oder Bands wie „AnnenMayKantereit“ und „Deine Lakaien“.

Wild leben, jung sterben – oder den Tod besingen

Rockstars altern nicht, sie sterben jung oder leben wild bis zu ihrem Ende – ein Mythos, den die Wirklichkeit mittlerweile eingeholt hat. Und so reflektiert Patti Smith unter anderem in ihrem Lied „Gone Again“ den Tod ihres Ehemanns und das Sterben langjähriger Weggefährten. Ihre religiösen Sprachbilder werden in der Broschüre ebenso detailliert beschrieben, wie die Zweifel an Gott und dem Glauben, über die der kanadische Songwriter Leonard Cohen immer wieder sang. Aufgegriffen werden von den Autorinnen und Autoren dabei stets die Wechselwirkung von Text und Musik sowie die dahinterstehenden Lebensgeschichten und Lebensläufe der Musikerinnen und Musiker.

Abgeklärt und sarkastisch oder achtsam und hoffnungsvoll blicken die in der Broschüre beschriebenen Lieder auf das Leben und auf sein Ende. Viel Stoff, über den bei der Gemeindearbeit nachgedacht und diskutiert werden kann. Denn schließlich kommt niemand um das Altwerden herum. Das hat auch der 78-jährige britische Sänger Tom Jones erkannt, der in dem Arbeitsheft zitiert wird: „Jahrelang hatte ich meine Haare schwarz gefärbt, täuschte damit aber sowieso niemanden, also dachte ich: Scheiß drauf, Grau ist auch okay …“

Die Publikation „NOT DARK YET – Alter und Tod, Endlichkeit und Einsamkeit in Pop- und Rocksongs“, illustriert mit Fotos von Engelskulpturen auf Friedhöfen, kann heruntergeladen oder über den HkD-Materialversand bezogen werden unter Telefon 0511 1241-432 oder gruenwaldt@kirchliche-dienste.de. Zwei Exemplare werden kostenlos versandt, bei größeren Mengen wird um eine Spende gebeten.

22. November 2018