Pur

Noch ein Leben

Ein geliebter Mensch hat sich das Leben genommen. Er hinterlässt geliebte Menschen, die sich Vorwürfe machen und schuldig fühlen, die wütend und sprachlos sind. Es fällt schwer, darüber zu reden, denn die Gefühle sind so widersprüchlich. Da ist die Einsicht, dass sich der Verstorbene mit dem Leben abgequält hat und es ihm jetzt besser geht. Da ist aber auch die Wut über den Verstorbenen, denn sein Tod macht uns völlig ohnmächtig. Manchmal fragen wir uns, als ob unsere Liebe wertlos gewesen sei. Wir suchen nach verpassten Chancen, und wenn wir sie glauben, gefunden zu haben, quälen sie uns nächtelang. Die deutsche Popgruppe PUR hat auch einen Suizid in ihrer engeren Bekanntschaft erlebt und ein Lied aus dieser Situation heraus geschrieben. Es trägt den Titel eines Wunsches, der zwar vergeblich ist, aber dennoch geäußert werden muss: „Ich wünsch dir noch ein Leben.“ PUR hat seine Trauer mit all den widersprüchlichen Gefühlen öffentlich gemacht. Sie nehmen uns mit in ihre Klage über die Ungerechtigkeit des Todes.

PUR schreibt auf seiner CD Seiltänzertraum (1993): „Im Oktober 1991, während der »Nichts ohne Grund-Tour«, ereignete sich die tragische Geschichte dieses Lebens. Da man zu wahren Begebenheiten aus dem eigenen Bekanntenkreis eine besondere Nähe empfindet, fiel uns die Entscheidung, das Lied auf die CD zu bringen, entsprechend schwer. Wir glauben allerdings, dass wir uns auf diesem Wege so mit dem Thema auseinandergesetzt haben, dass das Lied vor allem die Trauer erleichtert und hoffentlich genügend warnt.“

Harald Schroeter-Wittke