Bob Dylan

Lord protect my child

Ein anrührender Song wie ein emotionaler Anschauungsunterricht dafür, was es heißt, abschiedlich leben zu lernen, also mitten im Leben die eigene Endlichkeit zu akzeptieren und mit dem Tod umzugehen lernen.

Schon die Art und Weise, wie Bob Dylan hier singt, die Intensität seiner Intonation verdeutlicht: Hier geht es nicht um Nebensächliches, sondern um alles Entscheidendes! Die Eindringlichkeit seines Gesangs gibt einen Eindruck von der Kraft des Gebets.

For his age, he’s wise
He’s got his mother’s eyes
There’s gladness in his heart
He’s young and he’s wild
My only prayer is, if I can’t be there,
Lord, protect my child

Dieser Song von 1983 ist sehr persönlich. Nie zuvor oder bislang danach hat Bob Dylan seine Existenz, Rolle und Gefühle als Vater in einem Song thematisiert. Hier geht es so persönlich zu, dass der Song nach seiner Aufnahme zunächst 8 Jahre lang nicht veröffentlicht wurde.

Singend und flehend, bittend und betend wendet sich Dylan hier an Gott, dem er den Schutz seines Kindes anbefiehlt. Er weiß um die Grenzen seiner Kraft und Macht. Er kennt die Grenzen seines irdischen und väterlichen Daseins – auch die letzte Grenze, die Lebensgrenze, die ihn daran hindert, selber weiter sein Kind behüten zu können.

Das gesungene Gebet dieses Songs zeigt Dylan’s Meisterschaft, das Persönliche mit seiner Sicht des Weltgeschehens zu verknüpfen und in einen theologischen Zusammenhang einzuordnen:

He’s young and on fire
Full of hope and desire
In a world that’s been raped, raped and defiled
If I fall along the way
And can’t see another day
Lord, protect my child
There’ll be a time I hear tell
When all will be well
When God and man will be reconciled
But until men lose their chains
And righteousness reigns
Lord, protect my child

Letztlich ein ergreifender und tröstlicher Song, der einen Bogen spannt vom schmerzhaften Akzeptieren der eigenen Endlichkeit bis hin zur Glaubenshoffnung, die im Gebet Ausdruck und Gestalt findet: „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“ (Psalm 66,20)

Matthias Surall

Song auf: Bob Dylan: The Bootleg Series, Volume I – III, 1991.
Songtext: www.bobdylan.com