Kann in der Trostlosigkeit noch etwas trösten? – Oase des Schmerzes (Klagelieder des Jeremia 1)
Es ist ein kalter Schlag, ein Schock, vielleicht sogar das Ende. Wenn Hoffnungsbilder in sich zusammenstürzen, bleibt nichts als Schmerz. Sofort melden sich die vielen Worte. Es gibt eine Menge Menschen und Bücher, die verlauten lassen: „Eine Krise ist auch eine Chance. Im Tod verbirgt sich Leben. In der Trennung liegt der neue Anfang.“ Diese Sprüche mögen stimmen, ich will sie nicht verhöhnen. Nur sind sie schrecklich und befremdlich, wenn der Schmerz den Menschen überschwemmt, der Schrecken raucht und sich nicht zur Ruhe legen will. Wer kann sich bewegen, wer hat jetzt noch Stimme? Da sind allenfalls noch Töne im Stil der Klagelieder Jeremias – Lieder aber ist zu viel gesagt. Es sind Tonfetzen, nicht eine sanft geschwungene Melodie ist hörbar. Ein Buch, das den Schrecken aus sich heraus nach draußen seufzt. Keine Hoffnung zwar – doch wichtiger: Ich finde nicht einen Satz, der dem Schmerz die Berechtigung abspräche. Und ich entdecke einen Hilferuf. Euch allen, die ihr vorübergeht, sage ich: „Schaut doch und seht, ob irgendein Schmerz ist wie mein Schmerz, der mich getroffen hat.“ (Klgl 1,12) Einer, der im Schmerz steckt, seufzt und ruft, er wünscht: Besser als aller Trost wäre ein Leid, das wie meines ist. Das allein könnte nützen – wobei nützen das falsche Wort ist, es handelt sich ja um nichts, das sich verwerten ließe. Sicher ist nichts – außer vielleicht das: Die noch gehen können, können mich nicht trösten. Also bitte: Geht! Und sucht Schmerzen, die wie meine sind. Das könnte ich ertragen, wenn ich nicht allein getroffen wäre. Wer meinen Schmerz findet, soll es mir rasch sagen – dann aber mit keinem Wort kommentieren. Die Nachricht würde genügen. Sie wäre ohne Trost ein Trost.
Aus: Georg Magirius, Mit 100 Fragen durch die Bibel, Evangelische Verlagsanstalt 2008.