Meditation

Einsamkeit

Sie ist plötzlich da, die Einsamkeit – schleicht sich in die leere Wohnung, grinst, wenn man nach Hause kommt und niemand ist da, der hören will, was man erlebt hat.
Sie sitzt neben einem, wenn man sich hinaus getraut hat, unter Menschen ist und doch völlig allein. Sie packt einen, wenn man entscheiden soll, was getan werden muss, und schüttelt einen, wenn wieder eine Anforderung zu hoch scheint.
Einsamkeit – ein Unwort, ja altmodisch. Man sagt: „Wer einsam ist, hat selbst Schuld, es ist eine Frage der Einstellung, es gibt so viel Zerstreuung, man muss nur etwas tun!“
Stimmt das? Einsam machen die ungeteilten Gedanken und Gefühle. Einsam macht der Themenwechsel beim Erzählen über den Tod. Einsam machen die guten Ratschläge, die man nicht befolgen kann. Einsamkeit ist der Verlust des Selbstwertes, die Tatsache, dass man nicht gesehen wird, weil Sehnsucht, Trauer, Schmerz nicht gerne gesehen werden. Also setzt man ein Lächeln auf, bedeckt sich mit Aktivität, kleidet sich bunt. Gesehen aber wird nur der Mantel, nicht der Mensch. Die Einsamkeit bleibt. Einsamkeit ist nicht vom Einsamen allein zu verdrängen. Es braucht Mut, offen zu werden, sich einzugestehen, dass da die Einsamkeit ist und es braucht die Einsicht, dass Einsamkeit ein Teil der Trauer ist. Einsamkeit ist kein Versagen des Einsamen.

Tabitha Oehler