Warren Zevon
The wind
Warren Zevon war einer der großen Außenseiter und Individualisten der amerikanischen Rockszene. Er starb am 7. September 2003 mit nur 56 Jahren an Lungenkrebs. Nachdem er ein Jahr zuvor von seinem Arzt erfahren hatte, dass er unheilbar erkrankt sei, beschloss er, zusammen mit seinen Freunden eine letzte CD aufzunehmen. Keine 2 Wochen vor seinem Tod wurde sie veröffentlicht unter dem Titel „The Wind“. Nur ein Hauch ist der Mensch – so heißt es schon in der Bibel beim Propheten Jesaja (Jes 2,22). Nur? Auch Gottes Geist ist nichts als Hauch. Zwischen Schöpferkraft und Vergänglichkeit – ein Hauch, the wind.
Auf seiner letzten CD besingt Zevon zusammen mit seinen Freunden (darunter namhafte Kollegen wie u.a. Bruce Springsteen, Tom Petty, Billy Bob Thornton) das gesamte Leben in seiner Fülle, Lebenskraft, aber auch Verletzlichkeit und Gebrochenheit. „An manchen Tagen habe ich den Eindruck, dass mich nur mein Schatten stützt, an manchen Tagen scheint keine Sonne. Manchmal frage ich mich, was der Morgen bringen wird, wenn ich an mein durchzechtes Leben denke“, singt er zu Beginn. Wenig später heißt es: „He Leute, manchmal fühle ich mich ein bisschen einsam, ihr wisst, was ich meine. Ich suche nach einer Frau mit ein wenig Selbstbewusstsein, die mich zurecht legt und meine Unruhe stillt“. Zeilen, die auf dem Hintergrund seines bewegten Lebens und unkonventionellen Humors doppelt gebrochen erscheinen. Auch eine Cover-Version von Bob Dylans berühmten „Knockin‘ On Heaven’s Door“ befindet sich auf der CD – ein todkranker Mann, der an die Himmelstür zum Jenseits klopft. Gerade textlich und auf dem Hintergrund der Einspielungsgeschichte geht einem vieles bei dieser CD unter die Haut. Dabei haben aber auch gerade die langsamen Stücke etwas eigentümlich Tröstliches.
Auf die Frage in David Lettermans berühmter Late-Night-Show kurz vor seinem Tod, welche Konsequenz seine Krankheit für ihn habe, antwortete Zevon: „Enjoy every sandwich – Genieße jedes Butterbrot“. Dies ist auch der Eindruck, den „The wind“ vermitteln kann: Lebe dein Leben intensiv – und das jeden Tag.
Detlev Prößdorf / Harald Schroeter-Wittke