Unheilig

Geboren um zu leben

Es passiert nicht oft, dass deutschsprachiger Pop, wenn er von Abschied und Trauer handelt, in den Charts der Hitparaden ganz hoch klettert. Doch 2010 ist dies Bernd Heinrich Graf, Gründer und Kopf der Band „Unheilig“, der von seinen Fans nur respektvoll „Der Graf“ genannt wird, gelungen. Mit seiner Ballade „Geboren um zu leben“ drückt er gefühlvoll aus, was viele empfinden, die um einen geliebten Wegbegleiter trauern:

Es fällt mir schwer, ohne Dich zu leben,
jeden Tag zu jeder Zeit einfach alles zu geben.
Ich denk‘ so oft zurück an das was war,
an jenem so geliebten vergangenen Tag.
Ich stell‘ mir vor, dass Du zu mir stehst,
und jeden meiner Wege an meiner Seite gehst.
Ich denke an so vieles seit dem Du nicht mehr bist,
denn Du hast mir gezeigt, wie wertvoll das Leben ist.

Traurigkeit über den Verlust auf der einen Seite und auf der anderen Seite das Erkennen, welch kostbares Gut doch das Leben an sich ist, spiegeln sich in den Zeilen der ersten Strophe. Die Erinnerung an das Gewesene, an das Schöne, an das Prägende erzeugt Dankbarkeit und Schmerz zugleich.
Der anschließende Refrain beschreibt die Schönheit des Lebens, die Freundschaft und die Verbundenheit, deren wahrer Wert – so scheint es – gerade durch die Erfahrung des Verlustes noch intensiver gespürt wird: Wir waren geboren um zu leben!

Wir war’n geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit,
sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit.
Wir war’n geboren um zu leben, für den einen Augenblick,
bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist.

Was einem wertvoll gewesen ist, kann und möchte man nicht so einfach hinter sich lassen. Man möchte allerdings auch irgendwann wieder an alte Lebensgefühle anknüpfen und zu neuen Ufern aufbrechen. Leben im Bewusstsein des Verlustes eines lieben Menschen ist oft ein Wechselbad der Gefühle und Sehnsüchte, zwischen bewahren und neu beginnen wollen:

Es tut noch weh, wieder neuen Platz zu schaffen,
mit gutem Gefühl etwas Neues zu zulassen.
In diesem Augenblick bist Du mir wieder nah
wie an jenem so geliebten vergangenen Tag.
Es ist mein Wunsch, wieder Träume zu erlauben,
ohne Reue nach vorn‘ in eine Zukunft zu schau’n.
Ich sehe einen Sinn seit dem Du nicht mehr bist.
Denn Du hast mir gezeigt, wie wertvoll mein Leben ist.

Der Graf hat das Lied aus eigener leidvoller Erfahrung über den Verlust eines guten Freundes geschrieben. Es hat bei aller Traurigkeit und Sentimentalität auch etwas ungemein Bestärkendes: Es trägt die Hoffnung, dass die prägenden Dinge auch im Tod nicht gänzlich verloren gehen. Und bei mir bleibt beim Hören ganz stark die Botschaft haften:
Ob mit den Wundern der Zeit oder den Wunden der Zeit (wie ich es anfangs zunächst verstanden habe): Wir sind geboren um zu leben – weil das Leben wertvoll ist!

Detlev Prößdorf

„Geboren um zu leben“ erschien 2010 auf dem Album „Große Freiheit“, nähere Infos auf www.unheilig.com