Njeri Weth

Lass mich nicht los

Bei der Konfrontation mit Leid und Tod kommen Denken und Fühlen oft gehörig durcheinander. Die Gedanken kreisen um viele offene Fragen und die Gefühle sind intensiv und nicht selten widersprüchlich. Die Gospel- und Soulsängerin Njeri Weth stellt dieses Wechselspiel der Gedanken und Gefühle an den Anfang ihrer Ballade:

Wer hat dir gesagt, dass ich das sehen will?
Was hat dich bewegt, mich da hineinzuziehen?
Mein Herz ist wütend, verletzt und stumm.
Mein Gott, warum?

Warum? Das Warum drängt sich angesichts der Erfahrung von Leid und Tod auf. Diese Frage stellt sich auch Hiob. Hiob verliert seine Familie und seine gesamte Existenz. Das Warum bleibt ihm schleierhaft. Dennoch hält er in seinem Schmerz daran fest, dass er wenigstens noch Gott als Gegenüber hat. Njeri Weht fordert – wie einst Hiob – Gott auf, Gegenüber zu sein:

Weich‘ mir nicht aus und sieh mich an.
Ich geb‘ dir zurück, was ich nicht tragen kann.
Gibt es einen Gott? Ich frage dich:
Mein Gott, wozu?

Wozu? Der Unterschied zwischen den Fragen „Warum“ und „Wozu“ liegt darin, dass die Frage „Warum“ in die Vergangenheit schaut, während „Wozu“ die Frage nach der Zukunft stellt. Warum ich fühle wie ich fühle, lässt sich einfacher beantworten. Aber wozu Tod, Schmerz und Leid dienen sollen, wohin einen das führt – das ist ungewiss und offen. Einerseits bestimmen Wendungen und Kräfte unsere Zukunft, die wir nicht beeinflussen können; andererseits leiten wir uns aber auch selbst mit unserer Einstellung und nicht zuletzt mit unserem Glauben. Im Lied mündet das ungewisse „Wozu“ in ein Bitten und in die gleichzeitige Vergewisserung der eigenen Hoffnung:

Lass mich nicht los, Lass mich nicht los,
wenn du siehst, was ich seh‘ und was mich zerreißt.
Lass mich nicht los, lass mich nicht los.
Bleib‘ bei mir, wenn ich frag‘ und wenn ich schrei‘.

Ich kann dich nicht sehen und trotzdem spür’n.
Ich halt dich fest, wer du auch bist.
Was ich nicht weiß, noch nicht erkenn kann,
leg‘ ich, mein Gott, dir hin.

Lass mich nicht los, wenn ich fall‘.

Vor Gott bringen, was einen quält und zerreißt. Mit ihm hadern und ringen um das „Wozu“. Gott bitten und vertrauen. – Zu all dem macht dieses moderne Psalm-Lied Mut. Es hilft, im Chaos des Denkens und Fühlens in Gott ein Gegenüber zu sehen, das an uns festhält trotz aller Fragen und aller Schmerzen.

Detlev Prößdorf

„Lass mich nicht los“ ist der 2007 erschienenen CD „Comfort“ von Njeri Weth entnommen. Auf dieser CD finden sich noch sechs weitere deutsche und englische Lieder, die von Trost, Abschied und Loslassen handeln. Njeri Weth gibt auch „Trostkonzerte“, nähere Infos auf www.njeri.org.