Bob Dylan

I’ll remember you

Zwei große Themen beherrschen die Kunst: Die Liebe und der Tod. Das kleine Kunstwerk dieses Dylan-Songs macht da keine Ausnahme. Doch um welche Liebe geht es hier? Die Vergangene, melancholisch Erinnerte? Oder die nach wie vor Gegenwärtige? Ist es die Liebe zu einer Frau oder die Liebe zu Gott?

Dylan nennt wie so oft keine Namen und gibt keine interpretatorischen Hilfen. Es gibt Hinweise darauf, dass es eine Frau ist, die er erinnern wird, aber auch die ,göttliche‘ Variante klingt deutlich an. Seine Kunst zeigt sich darin, dass auch dieser Song eine interpretatorische Spannweite eröffnet, die sich nicht mit Kategorien von richtig und falsch füllen lässt. Vielmehr geht es um die Frage der Stimmigkeit und der Wahrheit: Mein Eindruck ist, dass Dylan hier ein authentisches Gefühl besingt, die tief empfundene, zutiefst ehrliche Antwort auf die sehr menschliche Frage danach, was bleibt. Diese Frage stellen und beantworten zu können, zeichnet uns Menschen aus – nicht nur im Angesicht des Todes.

I’ll remember you
When I’ve forgotten all the rest,
You to me were true,
You to me were the best.
When there is no more,
You cut to the core
Quicker than anyone I knew.
When I’m all alone
In the great unknown,
I’ll remember you.

Die Frage nach dem, was bleibt, ist auch die Frage nach dem, was letztlich zählt, was wirklich wichtig ist, Bestand hat und behält – unabhängig von Zeitgeist und Stimmung, egal ob mitten im Leben oder auch im Sterben und danach. Dylan kommt hier zu klaren Antworten: was zählt, das sind Ehrlichkeit, Liebe und Treue, Wahrhaftigkeit, Verständnis und Verzeihen.

. It was you who came right through,
It was you who understood.
Though I’d never say
That I done it the way
That you’d have liked me to.
In the end,
My dear sweet friend,
I’ll remember you

Die deutsche Übersetzung der Titelzeile changiert wie das Verständnis der besungenen ,Person‘: Ich werde dich erinnern – ich werde mich an dich erinnern – ich werde an dich denken. Dabei ist deutlich: So lange die liebevolle Erinnerung, das Gefühl von Verbundenheit und Zusammengehörigkeit zwei Menschen verknüpft, so lange hat der Tod keine alles verneinende Kraft.

Und wenn mit dem besungenen „Du“ auch Gott mit im Blick ist, dann wird offensichtlich: Die von Liebe bestimmte und getragene Erinnerung ist gerade auch Gottes Art, mit uns umzugehen. Von seiner erinnernden Zuwendung getragen leben wir weiter. „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Korinther 13,13)

Matthias Surall

Song: Bob Dylan: Empire Burlesque, 1985.
Songtext: www.bobdylan.com