Robert Schumann
Sommerlied, aus: Romanzen und Balladen 4, op.146, Nr.4
Seinen Traum, lind wob,
Frühling kaum, Wind schnob.
Seht, wie ist der Blütentraum verweht!
Wie der Hauch kalt weht,
Wie der Strauch alt steht,
Der so jung gewesen ist vorher!
Ohne Lust schlägt Herz,
Und die Brust trägt Schmerz,
O, wie hob sie sonst sich frei und froh!
Als ich dir lieb war,
O wie mir trieb klar
Vor dem Blick ein Freudenlenz empor!
Als ich dich gehn sah,
Einsam mich stehn sah:
O wie trug ich’s, dass mein Leben floh!
Wo ist dein Kranz, Mai?
Wohnt dir kein Glanz bei,
Wann der Liebe Sonnenschein zerrann?
Nachtigall, schwing dich
Laut mit Schall, bring mich
Ab, hinab zur Ros‘ ins Grab!
(Friedrich Rückert)
Robert Schumann (1810-1856) hat in seinem romantischen „Sommerlied“ von 1849 einen Text von Friedrich Rückert (1788-1866) auf eine Weise vertont, welche die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen zugleich ausdrückt und verwandelt. „Die Melodie ist letztlich nur die klangliche Krone auf einer sensiblen, den Text bis aufs kleinste nachempfindenden Harmonik“ (Karin Freist-Wissing). Text und Melodie folgen dabei allerdings einer entgegen gesetzten Bewegung. Während der Text im schnellen Telegrammstil die körperlichen wie seelischen Anzeichen von Trauer benennt, bringt die innige Melodie sie bewusst langsam und mit vielen Pausen in die Schwebe. Der Schmerz kann so ausgehalten, ja sogar ausgekostet werden. Im Text ist zwar das „Grab“ die letzte Vokabel, aber die Musik sagt mir, dass Abschied und Tod nicht das letzte Wort haben. So ist mir Schumann’s Sommerlied in der Trauer um meine im Sommer 1998 früh verstorbene Frau Sabine zu Balsam für die Seele geworden.
Henning Theurich
Einspielung: Kammerchor der Kreuzkirche Bonn („vox bona“) unter Leitung von Karin Freist Wissing auf der CD „Marien – Liebeslieder“, Fermate Musikproduktion 1997 (FER 20024).