Magdalene Schauss-Flake

Nun danket alle Gott

Mitten im 30-jährigen Krieg, in einer Zeit, die von Hunger und Leid, von Elend und Tod geprägt war, dichtete der Pfarrer und Schulrektor in Eisleben, Martin Rinckardt, sein bekanntes Tischlied „Nun danket alle Gott“ für seine ihm anvertrauten Schulkindern der Internatsschule. Sie mussten es stehend nach den kärglichen Mahlzeiten singen. Heute singen wir es vor allem, wenn wir dankbar mit in großer Gemeinschaft auf etwas Gelungenes zurückblicken können.

Der Auftrag, ein Bläservorspiel, also eine Einleitungsmusik zu diesem Loblied, zu komponieren, erreichte die Komponistin Madalene Schauss-Flake (*1921) zu einem Zeitpunkt, als ihr Mann nach einem langen Krebsleiden gestorben war. Da war ihr verständlicherweise nach „Nun danket alle Gott“ nicht zumute. Vielmehr erlebte sie jetzt Tage und Wochen in tiefer Trauer und Schmerz, in Klage und auch in Anklage. Warum mein Mann? Warum so früh? Warum? Warum?

Trotzdem kam sie der Anfrage nach dem Vorspiel nach und lieferte eine Komposition ab, von der sie selbst wusste, dass diese den Vorstellungen der Auftraggeber nicht unbedingt entsprechen konnte. Vielmehr drückten die Klänge ihre Befindlichkeit nach dem Verlust eines lieben Menschen aus: neben lauten und kräftigen mehrmaligen Verzweiflungsrufen oder Aufschreien, sind es vor allem die Teile, wo Melodieabschnitte von „Nun danket alle Gott“ in originaler und auch leicht veränderter Gestalt zu hören sind – leise und zaghaft in der Tiefe, intoniert von den tiefen Stimmen der Posaunen und der Tuba. Es tönt wie aus einer anderen fernen Welt, aus einer Welt, wo nur ganz zaghaft ein Lied angestimmt wird. Zudem hat man beim Hören den Eindruck, dass durch wiederkehrende kurze Melodiefetzen der hohen Trompetenstimmen Lebensbilder als Erinnerung vorbeihuschen.

Wenn den Menschen das Singen schwerfällt, wenn Menschen der Dank im Halse stecken bleibt, wenn Klage und Leid das Leben verdunkeln, ist man nicht nur darauf angewiesen, sich an gute Tage zu erinnern, sondern auch getragen zu werden von Freunden und Begleitern. Das kann auch Musik sein, die die eigene Situation in Klängen und Melodien widerspiegelt.

Karl-Heinz Saretzki

Magdalene Schauss-Flake / Nun danket alle Gott (EG 321): Bläservorspiel für 2 Trompeten, 3 Posaunen und Tuba

Quelle: 101 Bläservorspiele zum Evangelischen Kirchengesangbuch (EG) / hrsg. von Erhard Frieß