John Rutter
Requiem
Der Tod seines geliebten Vaters war Anlass für den 1945 in London geborenen John Rutter, ein Requiem zu schreiben. Das Werk vermittelt eine von Rutters eigenem Verlust in jener Zeit geprägte Stimmung des Trostes und der Hoffnung. So war der Kompositionsvorgang ein gutes Stück Trauerarbeit. Das damit – auch – sehr persönliche Requiem ist in einer Musiksprache geschrieben, die der Komponist als „eine, die meinem Vater persönlich sehr gefallen hätte“ beschreibt. Musikalisch hat Rutter seine Inspiration in Gabriel Faurés 1888 entstandenem Requiem gefunden.
Die straff gespannte, bogenartige Architektur verleiht dem Requiem eine strukturelle Balance, die der gesamten Komposition eine besondere Geschlossenheit verleiht. Der erste und letzte Satz (mit Texten aus der Missa pro defunctis) dienen als Gebete zu Gott für die gesamten Menschheit, In den Sätzen zwei und sechs übernimmt Rutter Worte des Psalmisten: Mit dem Beter von Psalm 130 ruft der Chor aus der Tiefe zum Herrn. Doch er ist sich der Gewissheit sicher, dass beim Herrn Gnade und Erlösung ist. Im selben Duktus steht die Vertonung von Auszügen aus dem Psalm 23. Das im wörtlichsten Sinn pastorale Thema entfaltet Rutter auch musikalisch mit dem Soloinstrument Oboe und zeichnet so das Bild des guten Hirten, bei dem wir geborgen sind immerdar. Die Sätze drei und fünf sind persönliche Gebete zu Christus aus dem 1662 erschienenen Book of Common Prayer und der Requiem-Liturgie. Das Pie Jesu ist in der Anlage geradezu dem Pie Jesu aus dem Requiem Faurés nachempfunden. Dem Agnus Dei stellt der Komponist hoffnungsvolle biblische Zitate zur Seite, die auch heute in den Texten zur Begräbnisliturgie Verwendung finden. Im Zentrum des Werks steht schließlich das Sanctus als Verdeutlichung und Bekräftigung der göttlichen Herrlichkeit, die auch uns zuteil werden kann.
Im letzten Satz des Requiems findet der Spannungsbogen ein beruhigtes und zugleich beruhigendes Ende: Die Pauken des einleitenden Trauermarschs im Requiem aetemam erklingen im abschließenden Lux aetema abgemildert. Sie werden gleichsam zu einem Herzschlag, der eine langsamere, mystisch anmutende Rückkehr des Eingangsmotivs vorwegnimmt. Das Stück endet schließlich mit einem hoffnungsvollen und tröstendem G-Dur-Akkord: Requiem aeternam!
Peter Sölken