Johann Sebastian Bach
Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit – Der „actus tragicus“ BWV 106
Musik kann so etwas wie einen bergenden Raum bereit stellen, in dem sich Trauernde in der Gemeinschaft mit anderen und mit Gott aufgehoben und getröstet fühlen können. Die Kantate von Johann Sebastian Bach „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“, auch genannt „actus tragicus“ (BWV 106) höre ich als eine solche tröstliche Musik. Bach, der schon als knapp Zehnjähriger beide Eltern verlor, schrieb diese Kantate, so wird vermutet, aus Anlass der Trauerfeier für einen Onkel im Jahr 1707. Die Kantate beginnt mit einer von zwei Flöten und Continuo gespielten Sonatina, die mit ihrer zarten und wiegenden Melodie einen solchen Raum des Trostes eröffnet. Zentral ist dann die Aussage des ersten Chorsatzes „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“: Was Menschen angesichts des Todes einer geliebten Person nicht verstehen, worüber sie in Trauer verzweifeln: In Gottes Zeit sind sowohl die Sterbenden wie die Trauernden aufgehoben. In ihm (in Gott) „leben und weben und sind wir“ (Zitat aus Apg 17,28). Tenor- und Bass-Arie schärfen ein, dass wir sterben müssen; der Chor betont noch einmal, dass die Sterblichkeit des Menschen Zeichen seiner Geschöpflichkeit ist („es ist der alte Bund: Mensch, du musst sterben“) – in diesen Text hinein singt der Sopran strahlend: „Ja, Ja; komm Herr Jesu, komm.“ Auf Jesu Kommen zu vertrauen bedeutet, dass jemand sagen kann: „Mit Fried und Freud fahr ich dahin“ und „getrost ist mir mein Herz und Sinn“ (Alt-Arie) – ein Getrost-Sein, in dem der Tod seinen Schrecken verloren hat. So kann die Kantate in einen großartigen Schlusschoral einmünden, in dem der Trost unter Berufung auf Christus bekräftigt wird.
Michael Klessmann