Heinrich Schütz

So fahr ich hin zu Jesu Christ

Am Ende des 30-jährigen Krieges veröffentlicht der Dresdener Kreuzkantor Heinrich Schütz (1585-1672) in seiner Sammlung „Geistliche Chormusik 1648“ insgesamt 29 Chor-Motetten, in denen er Texte zum Kirchenjahr, hauptsächlich aber Bibeltexte zum Thema Zuversicht und Hoffnung, komponiert bzw. „in die Musik übersetzt“, wie er in seinem Vorwort schreibt.

Mit der Motette für 5 Stimmen „So fahr ich hin zu Jesu Christ“ wählt Schütz die 5. Strophe des Begräbnisliedes EG 522 „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“ von Nikolaus Herman. Der Text dieser Strophe lautet:

So fahr ich hin zu Jesu Christ.
Mein Arm tu ich ausstrecken.
So schlaf ich ein und ruhe fein.
Kein Mensch kann mich aufwecken,
denn Jesus Christus, Gottes Sohn,
der wird die Himmelstür auftun,
mich führen zum ewigen Leben.

Schütz komponiert und „malt“ in dieser Motetten-Musik mit Tönen und Klängen das Sterben, den Tod. Dabei übernimmt er das Bild des Liederdichters Nikolaus Hermann, das „So fahr ich hin“ in der Weise, dass alle fünf Stimmen nacheinander abwärts in die Tiefe – in das Grab – hinabsteigen. Gleichzeitig und abwechselnd werden diese fünf Stimmen aber auf den gleichen Text in die Höhe, also aufwärts, geführt – zu Jesus Christus. Die Musik, Melodien und Klänge, deuten das „Begrabenwerden“ auch als „Auferstehen“ und Auffahren in den Himmel. Das ist Theologie und christliche Zusage.

Wenn am Ende der Motette Jesus Christus „die Himmelstür zum ewigen Leben“ auftut, so können vier Stimmen der Motette problemlos dort eintreten. Eine Stimme allerdings, der Alt, aber kommt fast zu spät vor der Himmelstür an. Im letzten Takt der Motette, schlüpft – stolpernd – die Stimme mit ihren Tönen durch den Türspalt des Himmels, in den Schlussakkord, in den Himmel. Dort nimmt diese Stimme dann einen Ehrenplatz ein, als leuchtend strahlender Ton für den Gesamtklang.

Immer, wenn ich diese Musik höre oder selbst musiziere, gibt mir der Text in Verbindung mit dieser Musik der Motette von Heinrich Schütz für mein Leben – und sicher auch für mein Sterben – Hoffnung, Trost und Zuversicht. Ich vertraue darauf, dass mein Tod und das Begrabenwerden dermaleinst gleichzeitig auch der Eintritt in den Himmel, das Auffahren zu Jesus Christus, ist. Auch wenn ich dann der Letzte sein sollte, der an der Himmeltür ankommt und sie passieren wird, werde ich das ewige Leben erben.

Karl-Heinz Saretzki

Quelle: Heinrich Schütz / Geistliche Chormusik 1648 / Bärenreiter Verlag, Kassel (BA 500, Nr. 11) oder Hänssler Verlag / Carus Verlag, Stuttgart
CD-Aufnahme: Knabenchor Hannover und ein Blechbläser- und Streicherensemble / Leitung: Walter Henning