Alban Berg

Violinkonzert – Engel sind das Gegenteil von Enge

Engel sind das Gegenteil von Enge. Sie öffnen Herzen und Stimmungen. Sie machen die Tore in der Welt weit. Wer über Engel nachdenkt, gerät in ein weites Feld.

Dem Andenken eines Engels – so betitelt Alban Berg (1885-1935) sein Violinkonzert. Berg schreibt es zum Gedenken an die 18järhige Manon Gropius-Mahler, die am 22. April 1935 an Kinderlähmung stirbt. Dem jungen Mädchen widmet er dies Stück und will damit dessen Eltern trösten, den Architekten Walter Gropius und seine Frau Alma, die Witwe Gustav Mahlers. Tod und Liebe – im Engel kommen sie zusammen. Indem Berg Manon einen Engel nennt, gibt er sie frei für eine andere Welt. Dabei wirft der eigene Tod seine Schatten voraus. Schon quält Berg der Furunkel, der an Heilig Abend 1935 zu seiner tödlichen Blutvergif­tung führt. Das Violinkonzert bleibt Bergs letzte Komposition, sein Vermächtnis. Im letzten Satz seines Violinkonzertes zitiert Berg einen vierstimmigen Choral von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Den Text notiert er in die Partitur:

„Es ist genug! Herr, wenn es Dir gefällt, so spanne mich doch aus! Mein Jesus kommt: nun, gute Nacht, o Welt! Ich fahr in’s Himmelhaus. Ich fahre sicher hin mit Frieden, mein großer Jammer bleibt darnieden. Es ist genug.“

Schwere Ahnung – Niedergeschlagenheit: Es ist genug – auch dies ein Zitat. Es stammt aus der Bibel von dem Propheten Elia, der sich in der Wüste den Tod wünscht (1. Buch der Könige 19,4f). Und auch hier wieder: ein Engel kommt, berührt ihn und speist ihn mit Him­mels­speise. Ein Bote, der plötzlich da ist, aus dem Nichts auftaucht und Leben wendet. Gott sei Dank laufen uns von Zeit zu Zeit solche Boten über den Weg. Sie können unsere Trauer in Leben wenden.

Harald Schroeter-Wittke