In allen meinen Taten
Paul Flemming
Ein Lied, das vom Urvertrauen auf den Gott spricht, „der alles kann und hat“. Man könnte meinen, hier hat jemand keine Ahnung von den dunklen Seiten des Lebens und den rätselhaften Seiten Gottes. Doch der Dichter Paul Flemming, am 9. Oktober 1609 in Hartenstein im sächsischen Erzgebirge geboren, hat dieses Lied mitten in den Wirren des 30-jährigen Krieges gedichtet.
Im dritten Kriegsjahr musste er das elterliche Pfarrhaus nach dem frühen Tod der Mutter verlassen, seine Schulbildung erhielt er als Internatsschüler in Leipzig. Das Studium der Medizin wurde mehrfach unterbrochen, da Leipzig wiederholt belagert und umkämpft war und zudem auch noch die Pest ausbrach.
1633 versuchte Paul Flemming, den Kriegswirren zu entgehen, indem er sich einer fürstlichen Gesandtschaftsreise anschloss. Es sollte aus Sachsen nach Riga, Moskau und Nowgorod gehen, weiter auf der Wolga nach Astrachan am Kaspischen Meer, nach Isfahan im heutigen Iran, zurück durch Dagestan, wieder die Wolga hinauf bis Reval. Ein schwieriges Unternehmen noch heute. Wenige Tage vor Reisebeginn dichtete Flemming sein Lied.
Es ist also ein Reiselied, das aber von Strophe zu Strophe doppelbödiger wird und am Ende deutlich nicht mehr die Reise nach Russland, sondern die Lebensreise jedes Menschen und damit auch die Perspektive Ewigkeit in den Blick nimmt.
Von der Unsicherheit am Vortag der großen Reise über die Einsicht in das eigene Unvermögen, alle Dinge selber im Griff zu haben gehen die Gedanken hin zu Gottes Vatergunst, hinter denen die biblische Bitte des Vaterunser-Gebets steht: „Dein Wille geschehe.“
Steht unser Weg in Gottes Hand, stellt sich die Frage nach unserer Lebensbilanz. Flemming gibt darauf klare Antwort mit der Einladung, auf Gottes Gnade, Vergebungsbereitschaft und auf seine Geduld zu setzen. Gottes Vatergunst beinhaltet so auch, dass unsere Lebensreise ohne belastende Anklagen aus der Vergangenheit jeden Morgen neue Zukunft hat. So befreit zum Leben können alle Stationen der Reise getrost in Gottes Hand gegeben werden: „Er weiß allein die rechte Zeit.“
Die Einsicht, dass das Russland-Reiselied Flemmings eigentlich die Lebensreise des Menschen zum Inhalt hat, hat dazu geführt, dass wenige Jahre nach der Entstehung die ursprüngliche Melodie verschwand und Flemmings Zeilen auf die Melodie des alten Reiseliedes „Innsbruck ich muss dich lassen“ gesungen wurden; eine Melodie, die seit der Reformationszeit fest mit dem Lied verbunden ist: „O Welt ich muss dich lassen, ich fahr dahin mein Strassen ins ewig Vaterland…“
Flemming hat die Russland-Reise übrigens unbeschadet überstanden, lernte unterwegs seine Frau kennen. Er, der zuvor gedichtet hatte: „Ihm hab ich mich ergeben, zu sterben und zu leben, sobald er mir gebeut.“ starb zwei Jahre später in Hamburg an einer simplen Grippe.
Eberhard Kenntner
- In allen meinen Taten
laß ich den Höchsten raten,
der alles kann und hat;
er muß zu allen Dingen,
soll’s anders wohl gelingen,
mir selber geben Rat und Tat. - Nichts ist es spät und frühe
um alle meine Mühe,
mein Sorgen ist umsonst;
er mag’s mit meinen Sachen
nach seinem Willen machen,
ich stell’s in seine Vatergunst. - Es kann mir nichts geschehen,
als was er hat ersehen
und was mir selig ist.
Ich nehm es, wie er’s gibet;
was ihm von mir beliebet,
dasselbe hab auch ich erkiest. - Ich traue seiner Gnaden,
die mich vor allem Schaden,
vor allem Übel schützt;
leb ich nach seinen Sätzen,
so wird mich nichts verletzen,
nichts fehlen, was mir ewig nützt. - Er wolle meiner Sünden
in Gnaden mich entbinden,
durchstreichen meine Schuld;
er wird auf solch Verbrechen
nicht stracks das Urteil sprechen
und haben noch mit mir Geduld. - Ihm hab ich mich ergeben
zu sterben und zu leben,
sobald er mir gebeut;
es sei heut oder morgen,
dafür laß ich ihn sorgen,
er weiß allein die rechte Zeit. - So sei nun, Seele, deine
und traue dem alleine,
der dich geschaffen hat.
Es gehe, wie es gehe,
dein Vater in der Höhe,
der weiß zu allen Sachen Rat.
Text: Paul Flemming (1633) 1642
Melodie: O Welt, ich muss dich lassen
Fundorte: Evangelisches Gesangbuch (EG) Nr. 368 , Evangelisches Kirchengesangbuch (EKG) Nr. 292