Petra Kerperin, katholische Seelsorgerin am Elisabeth-Krankenhaus, Eileen Krauße, katholische Seelsorgerin am Universitätsklinikum Essen und Juliane Gayk, evangelische Pfarrerin am Elisabeth-Krankenhaus (v.li.n.re.)
In dieser Situation seien viele Paare sehr dankbar, wenn die Seelsorgerinnen „eine proaktive Begleitung“ anböten, sagt Krauße, also von sich aus auf die Mütter oder Elternpaare zugehen. Das bestätigt auch die evangelische Pfarrerin Gayk, die selbst eine Sternenkindmutter ist. „Das Umfeld ist in dieser Situation so sprachlos, so hilflos. Da tut es gut, Seelsorgende an der Seite zu haben, die vieles möglich machen können.“
Noch vor dem Thema Bestattung stehe oft die Frage im Raum, ob die Eltern das Kind noch einmal sehen möchten, „wozu ich die Eltern immer ermutige“, sagt Kerperin. Krauße verweist zudem auf den wertvollen Dienst der ehrenamtlich tätigen Fotografinnen und Fotografen, die Sternenkind-Müttern und -Vätern ein dauerhaftes Andenken an ihre Kinder ermöglichen. Für Sternenkind-Eltern, die oft noch gar nicht richtig Eltern sein konnten, sei es „ganz viel wert, als Eltern wahrgenommen zu werden“, sagt Gayk. Oft seien es gerade die Menschen aus den Seelsorge-Teams, „die den Eltern dieses Ansehen geben“.
Viel Mitgefühl auf den Klinikstationen
Trotz aller Hightech-Medizin und des großen Arbeitspensums in großen Kliniken „erlebe ich dort viel Mitgefühl“, sagt Kerperin. Wenn eine hochschwangere Frau aufgenommen werde, bei der es ernsthafte Sorgen um das Baby gibt „hofft und bangt die ganze Station mit“. Und wenn das Kind dann trotz aller Bemühungen stirbt, „liegt das schwer wie ein unsichtbarer Schleier auf der Station“. Gerade dann sind Kerperin und ihre Kolleginnen gefragt. Nicht, um diese Trauer zu nehmen, aber um zu begleiten.
In erster Linie geht es da um die Mütter, die das tote Kind oft noch zur Welt bringen müssen. Aber die Seelsorgenden stehen auch dem Personal zur Seite, dessen Job es doch eigentlich ist, den Müttern zu helfen, ihre Kinder gesund auf die Welt zu bringen. Deshalb lädt Kerperin auch zu jeder Beisetzungsfeier die Mitarbeitenden der Gynäkologie ein. „Und wenn es zeitlich passt, kommt die Chefärztin selbst und spricht im Gottesdienst zu den Angehörigen“, berichtet Kerperin. Dr. Daniela Reitz ist eben nicht nur Medizinerin, sondern auch Theologin. Außerdem nehmen regelmäßig Schwestern vom Orden der „Barmherzigen Schwestern von der heiligen Elisabeth“ an den Trauerfeiern teil. In der Pflege sind die Schwestern schon länger nicht mehr tätig, „aber die Sternenkinder liegen ihnen sehr am Herzen“, sagt Kerperin.
Tote Kinder sind in unserer Gesellschaft oft ein Tabu
So bunt und beinahe fröhlich, wie die Gräberfelder der Geburtskliniken wirken, auf denen die Sternenkinder bestattet werden, so groß ist die Tabuzone, die dieses Thema umgibt. „Tod und Sterben ist in unserer Gesellschaft ein Tabu, tote Kinder sowieso“, sagt Gayk. Kerperin verweist auf die „Nicht-Sichtbarkeit“ der Sternenkinder, die es vielen schwierig mache, damit umzugehen: „Das Kind ist da und ist doch nicht da.“ Dieser Nicht-Sichtbarkeit möchten die drei Seelsorgerinnen entgegentreten, um den betroffenen Familien in ihrer Trauer zu helfen. Deshalb laden sie am Gedenktag für verwaiste Eltern zu einem eigenen Gottesdienst für Sternenkinder-Eltern. Weil diese anders trauern als Eltern, die ihre Kinder mehrere Jahre begleiten konnten. „Und weil es viele Menschen betrifft“, sagt Pfarrerin Gayk. (tr)
Zum „Worldwide Candle Lighting“ werden am zweiten Dezembersonntag rund um den Globus zur Erinnerung an verstorbene Kinder um 19 Uhr Kerzen ins Fenster gestellt. In Essen gibt es am 11. Dezember 2022 drei Gottesdienste für verwaiste Eltern, eine konfessionelle oder kirchliche Zugehörigkeit ist nicht erforderlich.
- Gedenkgottesdienst für Sternenkinder um 19 Uhr in der Marktkirche, Markt 2, 45127 Essen
- Gottesdienst für verwaiste Eltern um 19.30 Uhr in der Ev. Kirche Essen-Rellinghausen, Oberstraße 65, 45134 Essen
- Gottesdienst der Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V. um 18.30 Uhr in der Melanchthonkirche, Melanchthonstraße 3, 45147 Essen
Sternenkinder: Viele Paare sind betroffen Als Sternenkinder werden heute alle Kinder bezeichnet, die vor, während oder kurze Zeit nach der Geburt sterben - egal, ob sie im juristischen Sinne als „Fehlgeburt“ (unter 500 Gramm Gewicht oder vor der 24. Schwangerschaftswoche) oder als „Totgeburt“ (ältere und schwerere Sternenkinder) zur Welt kommen. Die Zahl der Totgeburten wird exakt erfasst. Sie ist bundesweit zuletzt auf 4,3 Totgeburten je 1000 Geburten angestiegen. Hinsichtlich der Zahl von Fehlgeburten gibt es viele statistische Unwägbarkeiten. Allerdings gehen verschiedene Studien davon aus, dass jede zehnte, womöglich sogar jede sechste Frau eine Fehlgeburt erleidet. Insbesondere für viele der betroffenen Frauen ist dies ein schwerer Verlust, der sie stark belastet. Text: Thomas Rünker Fotos: Bistum Essen/Nicole Cronauge, Sabine Eisenhauer