Gottesdienst mit Totengedenken am Ewigkeitssonntag 2007
Musik zum Eingang
Friedensgruß und Begrüßung
Gott schenkt uns unser Leben und birgt es in SEINEN Händen alle Zeit. So leben wir in IHM und sind wir in SEINEM Namen: im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes.
All´ zumal als trauernde Menschen sind wir ängstlich, zweifelnd, vorsichtig tastend – suchend. Aus wenn Zweifel und Suchen in der Trauer so manches Mal deutlicher als sonst zu spüren sind, möchte ich dennoch darauf vertrauen:
Wir sind in Gott aufgehoben.
In IHM und bei IHM dürfen wir sein: mit Weinen und Lachen, im Schweigen und Fragen, im Klagen und Zustimmen. Denn GOTT ist da – durch Zeit und Ewigkeit – hier und jetzt.
Wir sind zusammengekommen, um in diesem Gottesdienst der Menschen zu gedenken, die im zurückliegenden Kirchenjahr in unserer Gemeinde verstorben sind. Wir tun es in dem Vertrauen, dass Gott da ist und unserer gedenkt:
ER, der Barmherzige, erinnert sich unserer; niemand und nichts geht in IHM verloren; ER ruft zu neuem, heilvollem Leben: Fürchte dich nicht! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du gehörst zu mir.
Lied (1): Von Gott will ich nicht lassen – EG 365,1-3
Gebet zu Psalm 27
Gott, dir vertraue ich mich an. Lass mich nicht Schaden nehmen an dem, was mir widerfährt. Lass mich deine Liebe spüren und hilf mir heraus. Lass mich fühlen, dass du mich hörst und mir helfen wirst. Halte meinem Kummer und meinen Tränen stand. Ich möchte mich an dich lehnen und Halt finden. Du hast versprochen, dass du mir helfen willst, mir nahe sein willst, mich halten willst. Darum setze ich meine Hoffnung auf dich, Gott. Deine Liebe umspannt den Erdkreis. Du rufst Menschenkinder ins Leben, du hältst und trägst sie – selbst durch den Tod. … Du … rufst mich wieder zurück ins Leben. Du holst mich heraus aus der Tiefe und richtest mich auf und tröstest mich wieder. Amen.
Schriftlesung: 1.Kor15,35-38.42-44a
Ihr fragt: „Wie soll denn das zugehen, wenn die Toten wieder lebendig werden? Was für einen Körper werden sie dann haben?“ Wie könnt ihr nur so fragen?! Wenn ihr einen Samen aussät, muss er zuerst sterben, damit die Pflanze leben kann. Ihr sät nicht die ausgewachsene Pflanze, sondern nur den Samen – ein Weizenkorn oder irgendein anderes Korn. Gott aber gibt jedem Samen den Pflanzenkörper, den er für ihn bestimmt hat. Jede Samenart erhält ihre besondere Gestalt. – So könnt ihr euch auch ein Bild von der Auferstehung der Toten machen. Was wir begraben, ist vergänglich, aber der Körper, der zu neuem Leben erweckt wird, ist unvergänglich. Wort des lebendigen Gottes.
Lied (2): Wer kann dich, Herr, verstehen – EG 6491+2+4, (nach: Befiehl du deine Wege)
Predigt I
- Der Körper, der zu neuem Leben erweckt wird, ist unvergänglich. Und anderer Stelle fügt Paulus hinzu: Mit dieser Hoffnung könnt ihr einander trösten.
- Trost finden – einander trösten: Leicht klingen solche Worte wie aus einer fernen Welt. Wenn Abschied und Trauer mich quälen, dann steht da viel leichter die Frage im Raum: Wo finde ich Hoffnung und Trost? Sie scheinen mir so weit weg im Schmerz, denn Abschied und Tod verletzen; sie lassen eine Wunde zurück.
- Eine Wunde tut weh; es tut weh, mit ihr in Berührung zu kommen. Der Schmerz lässt mich oft ohnmächtig, hilflos, kraftlos sein. Ich möchte die Wunde loswerden und weiß doch: das nicht geht.
- Und irgendwie will ich sie ja doch auch gar nicht loswerden, denn sie verbindet mich: mit dem Menschen, um den ich trauere: mit meiner Schwester, meiner Großmutter, meiner Schwiegermutter, meinem Mann, meiner Frau, meinem Kind.
- Die Wunde, der Schmerz, die Trauer ist da. Auch wenn ich es oft nicht wahrhaben will. Das weiß ich in meinem tiefsten Inneren. Und hier und da spüre ich, dass ich auch anders mit einer Wunde umgehen kann:
- Ich kann versuchen – und das ist oft nur ein mühevolles Versuchen – meine Wunde anzunehmen. Wo es gelingt – hier und da, kann ich eine neue Liebe, eine neue Nähe spüren.
- Es ist nicht die Liebe, nicht die Nähe, von der ich eigentlich träume und die ich eigentlich will – nach der ich mich so sehne; es ist eine andere Nähe – eine andere Liebe.
- Denn der Tod hat die leibliche Beziehung zerstört. Das ist unübersehbar. Nichtsdestotrotz kann er nicht die Beziehung zerstören. Dagegen kann ich mich wehren. Dagegen kann ich aufbegehren und entgegen halten:
- In meinem Herzen, in mir, wie ein innerer Begleiter, wie eine unsichtbare Freundin begleitet mich der verstorbene Mensch. Er ist da und kann weiter seine Spuren in mein Leben einprägen.
- Von Austern heißt es, dass sie “ … aus blutigen Wunden eine Perle entstehen (lassen). Den Schmerz, der sie zerreißt, verwandeln sie in einen Juwel.“ (Richard Shanon)
- In der Trauer kann Ähnliches geschehen. Das miteinander geteilte Leben, das, wie man sich gegenseitig geprägt, gestützt, beflügelt hat, kann zu einer Perle – zu einem Schatz – werden. Dazu helfen ganz wesentlich die Erinnerungen.
- Erinnern können wir in vielfältiger Weise. In unseren Gottesdiensten zum Ewigkeitssonntag, zum Totensonntag, ist es uns wichtig geworden, zum Gedenken Kerzen zu entzünden.
- Die Kerzen erinnern uns an die verstorbenen Menschen. Sie leuchten ihnen – zeugen von unserer Liebe zu ihnen.
- Und zugleich zünden wir die Kerzen auch für uns an, die wir zurück geblieben sind, uns nicht selten wie Gestrandete, Verlassene fühlen: und dennoch: wir leben. Daran erinnern uns die Kerzen und an die Kostbarkeit des Lebens.
- Licht für uns und für die verstorbenen Menschen: Das darf in unserem Gottesdienst seinen Platz haben.
- Zum Erinnern gehört es für uns, dass wir einen Namen aussprechen, nicht nur im Verborgenen, gedacht, geflüstert. Nein, wir dürfen ihn auch vernehmlich sagen. Und mit ihm, dem Namen, ersteht ein Mensch vor unserem inneren Auge. Er ist da; sie ist da: in der Erinnerung – in Gott.
- Zeichenhaft zünden wir deswegen für jeden verstorbenen Menschen an der Osterkerze ein Licht an.
Verlesung der Verstorbenen
Predigt II
- Die Kerzen sind Zeichen der Hoffnung. Ihr Licht – ihre Wärme – erinnern an Gottes Liebe – an das Leben, das ER schenkt: hier und jetzt und in SEINER Wirklichkeit. Können wir daran glauben? Mir kommt eine ältere Frau in den Sinn:
Sie geht zum Grab ihres Mannes. Unter dem Arm trägt sie ein Bündel mit Tannenreisern. An ihrer Seite springt ein kleines Mädchen, ihr Enkelkind. Das Grab, vor dem die beiden stehen bleiben, ist noch frisch. Der Erdhügel erhebt sich noch höher als bei den Gräbern ringsum. Noch kein Stein ist aufgestellt; ein schlichtes Holzkreuz nennt den Namen des Verstorbenen und das Sterbedatum. Kaum fünf Monate ist das her, … .
Die alte Frau beginnt, mit den Reisern den Grabhügel abzudecken, denn dazu ist sie gekommen. Doch nicht nur darum. Immer wieder zieht es sie in die Nähe ihres Mannes, mit dem sie fast 50 Jahre zusammengelebt hat, den sie geliebt hat und der ihr nun fehlt. Sie weint. Doch das Kind soll ihre Tränen nicht sehen, und so bückt sie sich tiefer und tiefer bei ihrer Arbeit.
Die Kleine betrachtet schweigend das Kreuz. Sie liest den Namen. Sie weiß: das ist ihr Großvater – ihr Opa, wie sie ihn nannte. Sie erinnert sich noch gut an den alten Mann. Er hat sie beim Spazierengehen immer an der Hand genommen und sie seinen „kleinen Schatz“ genannt. Und er hat so schöne Geschichten gewusst.
Sie weiß auch noch, wie er plötzlich krank wurde, wie sie dann nur noch einmal zu ihm durfte und man einige Zeit darauf zu ihr sagte: „Der Opa ist jetzt nicht mehr bei uns.“ Auch die Feier in der Kapelle ist ihr noch vor Augen: die vielen schwarz gekleideten Leute mit den ernsten Gesichtern, der Gang hinter dem Sarg her und wie die Männer dann den dunkelbraunen Holzkasten in die Erde gelassen haben.
In dem Kasten war ihr Opa; das hatte man ihr gesagt. Aber wo war er jetzt? Immer noch da drin – in dem Grab vor ihren Füßen? Darum fragt sie die Großmutter: „Oma, wo ist Opa jetzt? Was ist mit ihm geschehen?“
Die alte Frau hat die Frage wohl gehört, doch sie antwortet nicht gleich. Was soll sie sagen? Sie will es sich nicht einfach machen und sprechen: „Beim lieben Gott.“ Sie kann doch nicht ihrem Enkelkind sagen, was ihr selbst nicht so richtig was sagt, was sie nicht versteht und – vor allem – ihr irgendwie nicht hilft. Denn wo ist das, „beim lieben Gott“ und wie ist es dort? Das möchte sie selbst so gern wissen.
Wie soll sie den „lieben Gott“ verstehen, wo sie doch das Gefühl hat, er hätte ihr den Mann genommen – mit so viel Leid und Schmerzen – warum nur?!?
Das kleine Mädchen fragt noch einmal: „Wo ist der Opa denn jetzt?“
Die Großmutter kann nicht mehr länger ausweichen. Sie schaut von ihrer Arbeit auf – weiß noch immer nicht, was sie antworten soll -. Da fällt ihr Blick auf einen Grabstein in der Nähe, und sie liest: Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
Und auf einmal weiß sie es – weiß, was sie ihrem Enkelkind sagen kann, und ahnt auch, was sie selbst trösten und ihr helfen kann, und so sagt sie: „Ich glaube, dass Opa schon vorausgegangen ist in eine neue Welt, in den Himmel Gottes, in den wir auch einmal kommen.“ Die alte Frau weiß nicht warum, aber die Kleine ist damit zufrieden. Und als sie jetzt noch hinzufügt: „Und es geht Opa gut dort“, da lächelt die Kleine und sagt: „Dann ist es ja für Opa schön, dass er jetzt im Himmel ist.
Und wir werden ihn doch auch irgendwann einmal wieder sehen, nicht, Oma?“.
Und als sie das sagt, da stehen dem Mädchen auf einmal wieder all die schönen Spaziergänge mit dem Opa vor Augen; ja, sie hört in ihrem Inneren sogar Opas Stimme: „mein kleiner Schatz“, und sie weiß, dass er im Himmel ist und sie ihn dort wieder sehen wird ., und sie freut sich darauf … .
Als sie jetzt zur Oma hinschaut, spürt sie: auch die Oma weiß, dass sie sich um den Opa keine Sorgen mehr machen muss. Zwar wischt sie noch verstohlen ein paar Tränen aus den Augen, aber auch sie ist nicht mehr ganz so traurig.
So hat die Großmutter am Grab ihres Mannes nicht nur die Tannenreiser zurückgelassen, sondern auch so manche Last und Traurigkeit ihres Herzens.
Auf dem Weg nach Haus sieht sie ihr Enkelkind lange an und freut sich, dass sie ganz unversehens durch die Kleine und mit der Kleinen eine ungemein tröstliche Entdeckung gemacht hat.
Diese tröstliche Entdeckung wünsche ich uns allen.
Und Gottes Friede, der größer ist, als alles, was wir uns vorstellen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Lied (3): Bewahre uns, Gott – EG 171,1+2
Fürbitte
Gott, bei dir ist die Quelle und das Ziel des Lebens. Wir bringen vor dich, was im vergangenen Kirchenjahr zu Ende gegangen ist: was wir loslassen mussten, was wir ertragen mussten, was wir anderen angetan haben.
Wir bitten dich:
Schenke du uns die Gnade, dass wir in dir ruhen lassen können, was nicht mehr zu ändern ist. Stärke und ermutige uns, dass wir uns auf neue Wege wagen, damit heilen kann, was noch heil werden kann, damit wir wachsam bleiben für unsere und für deine Zeit.
Am Ende des Kirchenjahres stehen wir vor dir, Gott, und denken an die, deren Leben vor dem unsrigen vollendet ist. Und denken an die, die traurig sind. Für sie alle brennt ein Licht – das Licht deiner Auferstehung, das an Ostern neu entzündet worden ist; es brennt als Wegweiser zu dir und zeigt uns, wo wir geborgen aufgehoben sind bis in alle Ewigkeit.
Vaterunser
Amen.
Segen
Musik zum Ausgang
von Kristiane Voll