„Was sage ich denn bloß?“

Die Begegnung mit Trauernden verunsichert und wird darum oft vermieden. Doch es geht auch anders: Über konkrete Hilfen, unnütze Ratschläge und authentischen Beistand informiert das neue Angebot „Erste Hilfe bei Trauer“ der Malteser.

Ihr erscheint es wie eine leere Worthülse: Das „Herzliche Beileid“ spreche sie den Angehörigen eines verstorbenen Menschen daher ungern aus, erzählt die junge Pflegerin. „Doch wie vermittele ich mein Mitgefühl glaubwürdig? Was sage ich denn einem Hinterbliebenen?“ Weil sie diese Fragen seit längerem beschäftigen, war sie mit sechs weiteren Teilnehmenden beim ersten „Erste-Hilfe-Kurs für Trauer(nde)“ der Malteser im oberbergischen Engelskirchen dabei.

Das vierstündige Angebot ist ein bundesweites Pilotprojekt des Malteser-Hilfsdienstes e.V., das derzeit an mehreren Orten in Deutschland umgesetzt wird. Entwickelt wurde der Kurs von der Malteser-Fachstelle „Hospizarbeit, Palliativversorgung & Trauerbegleitung“ mit Sitz in Köln, sein Ziel ist es, ein besseres Verständnis für Trauer und Trauernde zu vermitteln.

Wenn aus Unsicherheit die Straße gewechselt wird

„Der Kurs richtet sich an Interessierte, die als Nachbar oder Freundin, als Kollegin oder Verwandter wissen möchten, wie sie trauernden Menschen begegnen und sie unterstützen können“, erklärt Referentin Anke Bidner, Leiterin der Hospiz- und Trauerdienste der Malteser im Oberbergischen Kreis. Denn meist seien Menschen angesichts des Todes verunsichert und wechselten auch lieber mal die Straßenseite, um der trauernden Nachbarin nicht zu begegnen.

Einen Einblick in aktuelle Modelle zum Trauerprozess gab Anke Bidner zu Beginn des Abends in Engelskirchen. Sie stellte unter anderem die vier Aufgaben vor, die ein Trauernder laut dem Psychologen William Worden zu meistern habe: „Sie umfassen das Akzeptieren, Verarbeiten und Anpassen sowie Aufbauen einer neuen Verbindung zum Verstorbenen.“ Ebenso beschrieb sie das Bild des Kaleidoskops, mit dem Trauerbegleiterin Chris Pauls das changierende Auf- und Abtauchen der Gefühle trauernder Menschen verdeutlicht.

„Diese und weitere Modelle haben ein gemeinsames Fazit: Es gibt kein richtiges und kein falsches Trauern“, betonte Anke Bidner. Vielmehr habe jede individuelle Reaktion auf einen Verlust ihre Berechtigung: „Es steht uns nicht zu, das Verhalten, die Gefühle und körperlichen Reaktionen trauernder Menschen zu bewerten.“

Wenn der Nudelauflauf an der Haustüre willkommen ist

Was das in der Praxis bedeutet, darüber tauschten sich die Teilnehmenden aus. Sie dachten darüber nach, was ihnen bei ihrer eigenen Trauer geholfen hat, und welche Reaktionen sie wenig hilfreich und sogar verletzend empfanden. Schnell wurde dabei deutlich, dass Ratschläge wie „Du musst jetzt auch mal loslassen“ oder „Du solltest mal richtig weinen“ fehl am Platz sind. Als furchtbar wurden ebenso Aussagen wie „Wenn was ist, melde dich“ empfunden. „Da spürte ich oft, dass es eigentlich nur darum ging, das eigene Gewissen zu beruhigen und mich schnell abzuwimmeln“, beschrieb es eine Teilnehmerin.

Als wohltuend hatten die Teilnehmenden unter anderem das gemeinsame Austauschen von Erinnerungen an den Verstorbenen sowie das Anbieten praktischer Hilfen empfunden. „Wenn ich früher in Filmen gesehen habe, wie Leuten mit einem Nudelauflauf vor der Tür standen, fand ich das immer schrecklich übergriffig“, erzählte eine Teilnehmerin. „Doch als ich selbst in Trauer war, habe ich mir nichts mehr gewünscht, als dass jemand meiner Familie eine warme Mahlzeit vorbeibringt.“

Wenn die eigene Sprachlosigkeit zugegeben wird, schafft das Nähe

Den Teilnehmenden fiel es dann leicht, ihre Ideen zum Umgang mit anderen Trauernden zusammentragen: sich immer wieder melden, konkrete Hilfen bereithalten und vor allem fragen, was genau gerade benötigt wird. Das universelle Angebot „Melde dich, wenn du Hilfe brauchst“ sei zwar gut gemeint, doch ein mit Trauer belasteter Mensch habe dazu oft kaum Kraft, meinte Malteser-Mitarbeiterin Anke Bidner- „Wir können stattdessen ganz konkret ein Mittagessen, das Rasenmähen, einen gemeinsamen Spaziergang oder das Versorgern eines Haustieres anbieten“, schlug sie vor.

Die eigenen Gefühle wahrnehmen, ehrlich sein und nur die Hilfe anbieten, die der Trauernde möchte und die man selbst gerne leistet: Im Grunde sei die Erste-Hilfe für Trauernde leicht zu leisten, darin waren sich am Ende des Abends die Teilnehmenden einig.

Die junge Pflegerin weiß nun, was sie den Angehörigen eines verstorbenen Patienten sagen wird: „Es tut mir wirklich sehr leid, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Und dieses Aussprechen der eigenen Sprachlosigkeit angesichts des Todes, ergänzte Leiterin Anke Bidner, schaffe Nähe und biete damit echten Trost und Beistand.

Text und Fotos: Sabine Eisenhauer

24. November 2022