„Reden ist das einzig Wahre“

Erde oder Feuer? Neben die Exfrau oder die Lebensgefährtin? Ins Meer oder im Nachbarort? Viele Hinterbliebene geraten in Konflikt, wenn es um die Bestattung geht. Fachleute raten daher: Über deren Ablauf sollten alle Beteiligten so früh wie möglich sprechen.

Ihre erwachsenen Kinder wussten, dass die verstorbene Mutter das Meer und die Wellen bei vielen Urlauben ins Herz geschlossen hatte. Doch als sie nach ihrem Tod erfuhren, dass sie sich eine Seebestattung wünschte, hat sie das doch überrascht: Denn ein Grab auf einem südhessischen Friedhof und damit ein nahegelegener Ort für Zwiesprache und Trauer wäre ihnen lieber gewesen. Und auch bei dem verstorbenen Witwer stehen die Angehörigen vor einem Problem: Seine Nachkommen möchten ihn gerne neben der Mutter erdbestatten, seine langjährige Lebensgefährtin wünscht sich jedoch ein Urnengrab, in das auch sie selbst später beigesetzt werden kann.

Würden Menschen schon zu Lebenszeiten über ihre Vorstellungen rund um die eigene Bestattung reden, blieben ihren Angehörigen solche Überraschungen und damit auch Kummer und Streit erspart, sagt Werner Kahrhof, Geschäftsführer von „Kahrhof Bestattungen“ in Darmstadt, einem Familienunternehmen, das in diesem Jahr auf 160 Jahre Firmengeschichte zurückblickt. „Bei mehr als der Hälfte unserer Fälle gibt es derzeit großen Beratungsbedarf bezüglich der letzten Ruhestätte“, berichtet Werner Kahrhof. Hier sei es wichtig, im Gespräch mit der Familie gemeinsam eine gute Lösung zu finden – sowohl für eine aktuelle, wie aber auch für zukünftige Bestattungen.

Kein Tabu: Die eigene Beerdigung

Denn vielleicht könne dann doch das vorhandene Familiengrab zum Großteil den Bestattungswünschen aller entsprechen und eine „Familienzusammenführung nach dem Tod“ herbeigeführt werden. „Bei solch langfristigen Betrachtung bilden die emotionalen Bedürfnisse der Familienangehörigen und die finanziellen und rechtlichen Voraussetzungen den Rahmen“, ergänzt der Bestatter.

„Ich möchte gerne unter einem Baum liegen.“ Im Gespräch können solche Wünsche den Angehörigen mitgeteilt werden.

Der Unternehmer appelliert daher: „Über die Bestattung sollte in Familien unbedingt schon zu Lebzeiten gesprochen werden, damit Hinterbliebene sich neben ihrer Trauer nicht auch noch mit den Gegebenheiten einer Bestattung auseinandersetzen müssen, die ihnen im Zweifelsfall nicht gefallen.“ Wenn Menschen sich naheständen, sollten sie auch über ihr Sterben reden: „Die eigene Beerdigung sollte kein Tabu sein.“ Mögliche Zeitpunkte für ein solches Gespräch seien vielleicht der Tod eines Freundes oder die Erstellung einer Patientenverfügung oder eines Testaments.

Letzte Station: Im Hospiz wird vieles geklärt

Die Hospiz- und Palliativarbeit habe in den vergangenen 30 Jahren das Sterben als Thema verstärkt in die Öffentlichkeit gebracht und für größere Offenheit gesorgt, sagt Nirmala Peters, Pfarrerin für Hospiz- und Trauerseelsorge im Evangelischen Dekanat Mainz. „Doch der eigene Tod ist immer noch ein gerne gemiedenes Thema, um das viele Menschen einen Bogen machen“, ergänzt sie.

Vorher miteinander reden, das erspare Kummer und Streit bei der Bestattung, betonen Fachleute

Die Theologin ist unter anderem in Mainz im stationären Christophorus-Hospiz der Caritas Altenhilfe St. Martin Rheinhessen gGmbH im Dienst. „Das Haus ist meist die letzte Station auf dem Lebensweg, und dessen sind sich die Menschen, die im Hospiz einziehen, in der Regel bewusst“, sagt sie.

Als Seelsorgerin begleitet sie die evangelischen Bewohnerinnen und Bewohner; die im Hospiz „Gäste“ genannt werden, und erlebt dabei, dass viele von ihnen angesichts der eigenen Endlichkeit persönliche Angelegenheiten regeln – unter anderem auch die eigene Bestattung: „Manche planen mit ihren Angehörigen sogar bis ins Detail die Musik und die Gästeliste für die Trauerfeier oder die Kleidung, mit der sie beerdigt werden möchten.“

Kompromisse finden: Was braucht die Trauer?

Bei den Gesprächen darüber helfe der Beistand der haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden im Hospiz. „Sie sind erfahren und nehmen wahr, was den Menschen am Herzen liegt, welche ungeklärten Dinge sie belasten und worüber möglicherweise noch gesprochen werden sollte“, sagt Nirmala Peters.

Kompromisse zu finden, ist auch Inhaberin Nikolette Scheidler vom Unternehmen „Kistner+Scheidler Bestattung“ im Frankfurter Gutleutviertel wichtig. „Reden ist das einzig Wahre“, betont die Bestatterin. „Gibt es Angehörige?“, das ist darum stets ihre erste Frage, wenn sie Kundinnen und Kunden über die Bestattungsvorsorge berät. „Wird die Frage bejaht, gebe ich den Anfragenden erst einmal eine Hausaufgabe“, sagt die Bestatterin. Neben dem Heraussuchen aller wichtigen Urkunden wie Scheidungsurteil oder Versicherungsbeleg sei dies eben das Gespräch mit den nahestehenden Menschen.

Kein Patentrezept: Gespräche beim Kaffee oder im Auto

Für solch ein Gespräch gebe es kein Patentrezept, meint Pfarrerin Nirmala Peters: „Denn jede Beziehung ist anders, und jede Familie hat ihre eigene Art zu kommunizieren.“ Während manchen Menschen ein vereinbarter Termin am sonntäglichen Kaffeetisch beim Klären der Bestattungswünsche helfe, könne sich das Reden darüber bei anderen spontan beim Spaziergehen oder bei einer Autofahrt ergeben.

„Wo möchte ich später um Dich trauern?“ Auch darüber können sich Familien austauschen.

Urne oder Sarg, der Friedwald, ein Friedhof oder das Meer: Vor allem der Ort und die Art der Bestattung solle innerhalb der Familie unbedingt geklärt werden, betont der Darmstädter Bestatter Werner Kahrhof. „Dabei können Angehörige zum Beispiel darlegen, dass sie gerne bei ihrer Ansprache an den Verstorbenen vor einem Grab und nicht vor einer Wiese, am Meer oder vor einer Urnenwand stehen möchten.“

Solch ein Gespräch sei für alle Beteiligten sehr befreiend, hat er erlebt. „Denn es geht dabei nicht um juristische und gesetzliche Vorgaben und Details, sondern um Emotionen und gemeinsame Werte.“ Erst im nächsten Schritt träten dann professionelle Fachleute mit ihrem Wissen über Bestattungsvorsorge, Patientenverfügung, Testament, oder Vorsorgevollmacht hinzu.

Unvergessen: Viele Menschen wünschen sich einen Ort, an dem sie Blumen und Pflanzen hinterlassen können

Als ausgebildete Mediatorin nimmt Nikolette Scheidler sich dafür viel Zeit für die Hinterbliebenen, und schaut auf deren Bedürfnisse: „Wir klären, was die Trauernden brauchen, um mit dem Verlust weiterzuleben und suchen eine Lösung, die beiden Seiten gerecht wird.“ Denn der Tod eines nahestehenden Menschen sei eine emotionale Ausnahmesituation, die das Handeln und Entscheiden beeinflusse, ergänzt Bestatterin Nikolette Scheidler. „Angesichts der Endlichkeit des Lebens gibt es nicht nur in Patchwork-Familien viele Konflikte, auch Geschwister können sich nicht einig sein und über die anstehende Bestattung in Streit geraten.“

Impulse: Einladen zur Offenheit

Sie appelliert daher: „Jeder und jede sollte unbedingt die eigenen Eltern auf deren Bestattungswünsche ansprechen.“ Der Impuls zu solch einem Gespräch könne vor allem von den Kirchen ausgehen, findet Bestatter Werner Kahrhof: „Kirchengemeinden können im kleinen Kreis zum Reden über die eigene Bestattung einladen, Pfarrerinnen und Pfarrer verstärkt von der Kanzel dazu auffordern.“

Neben den vom Palliativmediziner Georg Bollig aus Schleswig-Holstein konzipierten und auch von kirchlichen Gruppen durchgeführten „Letzte Hilfe“-Kursen, erlebt Nirmala Peters auch das Christophorus-Hospiz in Mainz als einen Ort, an dem offen über das Sterben gesprochen wird. „Studierende der Medizin, Konfirmandengruppen oder Schulklassen kommen zu Besuch und erleben hier Aufgeschlossenheit und Lebensfreude.“

Solch eine erlebte Offenheit könne jungen Menschen prägen und mit dazu beitragen, das Gespräch in der eigenen Familie voranzubringen.

Text und Fotos: Sabine Eisenhauer

11. September 2020