Trauerjahr

Was hat es mit dem Brauch auf sich, dass Witwe bzw. Witwer ein Jahr um die bzw. den Verstorbenen trauert? Bereits im Alten Testament werden Trauerzeiten erwähnt. Das Trauerjahr kann so etwas wie einen Schutz bedeuten. Der Verlust eines geliebten Menschen schmerzt.  Dieser Schmerz kann den Mensch bis in sein tiefstes Innerstes erschüttern.

Diese Erschütterung verändert das Leben der bzw. des Angehörigen zusätzlich. Oft nehmen Trauernde Vorgänge, die um sie herum geschehen, verlangsamt wahr. Die Wertvorstellungen verändern sich: Was einem früher wichtig war, ist plötzlich völlig belanglos. Starke Stimmungsschwankungen erschweren es dem Trauernden, für sich selbst und für andere verständlich zu sein. Deshalb findet oft auch ein Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben und den sozialen Kontakten statt.

Die Trauer ist der Prozess, der mit dem Verlustschmerz arbeitet, ihm Raum, Zeit und Gehör schenkt. Die Trauer führt zu einem veränderten Leben, einem reiferen Leben. Wer den Verlust erfahren und mit der Trauer verarbeitet hat, kann mit dem Tod leben.
Der Brauch des Trauerjahrs will den erforderlichen Schutzbereich markieren: Hier lebt jemand in einer besonderen Situation. Darauf gilt es Rücksicht zu nehmen.

Wie lange dieser Schutzbereich erforderlich ist, hängt von vielen individuellen Faktoren ab: mal sind es nur wenige Woche, mal mit einem Kalenderjahr nicht getan.