Christ ist erstanden

as mittelalterliche und reformatorische Lied redet von der Auferstehung Christi und fordert zu Fröhlichkeit auf. Dieser Imperativ ist aber bereits eine Unmöglichkeit. Jeder Befehl, sich zu freuen, ist sinnlos. Er ist zudem sinnwidrig in seiner Situation des Verlustes und der Klage. Wer weint, hat eben gerade nichts zum Lachen. Wem traurig zu Mute ist, den erreicht keine Aufforderung zu Frohsinn und Zerstreuung. Solch gut gemeinten Versuche der Umstehenden sind geradezu verletzend, mindestens jedoch störend. In derart unsensibler Weise unpassend ist das Lied mit Absicht und Eifer nicht. Es nimmt die Situation auf und spricht von der Marter. Nicht Freude herrscht, sondern Marter ist allenthalben. Deswegen wird ein Trost gesucht. Die Situation ist so, dass Trost bitter nötig ist, aber kein geeigneter Tröster zu finden ist. Trostlos und nicht frohsinnig ist die Welt des Liedes. Die trostlose Stimmung wird verstärkt durch die Melodie des Liedes. Sie bewegt sich im Dorischen, der Kirchentonart des Schweren, des Lastenden und Drückenden. Kyrieeleis ist jeweils das letzte Wort der drei Strophen. „Leise“ heißt das Lied wegen jenes Anrufes des Kyrios. Es wurde auf Deutsch gesungen, während der Chor auf Lateinisch breit und ausführlich das Kyrie eleison intonierte. Die ganze Zeit des Gesanges über wird also der Herr, der Kyrios – im Neuen Testament immer Christus – herbeigerufen.

Nicht der Trauernde und der Sänger wird zu etwas aufgefordert, sondern eben dieser Christus wird mit jeder Strophe, mit jedem Wort, mit jedem Ton herbeigerufen. Nur er kann noch helfen, nur er kann noch Trost sein. Warum? Weil die Welt sonst vergehen müsste. Das Leben müsste anhalten, alle Gestalt untergehen, alles Lachen und Singen verstummen, jedes Wort ersticken. Angesichts des Verlustes geht die Welt nicht mehr weiter und verfängt kein Trost mehr, den das so angeschlagene und getroffene Leben noch aufzubringen versucht. Vertröstungen sind es, die mit dem erlittenen Verlust bereits überführt und ungültig wurden, noch ehe sie genannt wurden. Trost kommt nicht von diesseits des Todes, von der todverfallenen Welt. Christ will unser Trost sein, weil er von jenseits des Todes kommt, weil er den Tod durchbrochen hat auf das ewige Leben des Vaters hin. Kyrieeleis und Halleluja wechseln sich nun ab, die dorische Schwere der Melodie bleibt jedoch, und so wird die Aufforderung zur Freude am Schluss wiederholt. Es wird nicht aufgefordert, die trostlose Lage zu überspielen, sondern in ihr das Lied zu spielen, das in Klanggestalt das Andere der Trostlosigkeit einspielt. Dieses Andere ist: Christ ist erstanden. Der und nichts anderes – also kein Frohsinn, keine Zerstreuung oder Vertröstung wird herbeigesungen. Der auferstandene Christus tritt vielmehr mit dem Klang des Liedes in die trostlose Lage ein. Damit wandelt sich die Lage. Das Lied verwandelt in die Gegenwart des „Christ ist erstanden“.

Stephan Weyer-Menkhoff

Christ ist erstanden
von der Marter alle;
des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.

Wär er nicht erstanden,
so wär die Welt vergangen;
seit daß er erstanden ist,
so lobn wir den Vater Jesu Christ.
Kyrieleis.

Halleluja, Halleluja, Halleluja!
Des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.

Text: Bayern / Österrecih 12.-15.Jh.
Melodie: Slzburg 1160/1433, Tegernsee 15. Jh., Wittenberg 1529
Fundorte: Evangelisches Gesangbuch (EG) Nr. 99 , Evangelisches Kirchengesangbuch (EKG) Nr. 75, Gotteslob (GL) Nr. 213