Meike Schneider, Ich will mein Leben tanzen. 2. Aufl. Neukirchen-Vluyn 2011.

Tagebuch einer Theologiestudentin, die den Kampf gegen Krebs verloren hat

Wie merkt man, dass man Leukämie hat? Meike Schneider ist 20. Sie fühlt sich schlapp und ist sehr blass um die Nase. Stress, lautet die Eigendiagnose kurz vor einer Prüfung. Schlafen, Tee und Paracetamol helfen nicht. Als sie beim Zähneputzen umkippt, holt die Mitbewohnerin den Notarzt. Im Krankenhaus wird klar: Es ist Leukämie. Warum gerade sie? Heißt das, andere hätten es mehr verdient? Die Theologiestudentin glaubt nicht, dass Gott die Menschen durch Leid erziehen will. Sie liebt diese Welt und das Leben, sie kämpft um dieses Leben. Aber nach anderthalb Jahren Chemotherapie bricht der Krebs erneut aus. Ein Konochenmarkspender wird gefunden. Alles sieht gut aus. Kurz nach Weihnachten 2004 erneut ein Rückfall. Meike betet zu Gott und kämpft. Am 3. Februar 2005 stirbt sie.

Rezension

Meike Schneider erkrankt im März 2003. Diagnose: Akute Lymphatische Leukämie. Die junge Frau ist zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt. Sie hat gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kosovo hinter sich. Jetzt studiert sie in Leipzig evangelische Theologie. In Emails, Tagebuch und Kalendereinträgen lässt sie Menschen teilhaben an dem, wie sie sich fühlt und wie sie das durch ihre Krankheit veränderte Leben erfährt. Am 3. Februar 2005, also nach fast zwei Jahren, stirbt Meike Schneider an den Folgen ihrer Krankheit.

Während ich ihr Buch lese, drängt sich mir sofort die Frage auf: Darf ich die Gedanken, Gefühle und Wünsche dieser jungen Frau einfach „besprechen“. Darf ich rezensieren, dass sie und wie sie ihren Kampf gegen Leukämie verloren hat? Eine Rezension würde ihrem Buch nicht gerecht werden können, wenn sie das tiefste Innere zu „beurteilen“ oder gar zu „bewerten“ suchte, wie es sonst üblich ist bei der Vorstellung eines Buches. Statt dies Buch also einfach zu „besprechen“ möchte ich lieber „Resonanz“ darauf geben, möchte sagen, was ihre Worte bei mir ausgelöst haben an Empfindungen und eigenen Gedanken.

Als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen halte und den Titel lese „Ich will mein Leben tanzen“ denke ich: Ja das will ich auch! Tolle Idee! Tanzen ist schön, bringt Freude und ist eine Form, mit dem Körper zum Ausdruck zu bringen, was man empfindet. Das ist pures Leben. Aber Leben heißt nicht immer, dass ich wirklich lebe: Ich kann mich freudvoll oder lustvoll durch das Leben bewegen und in vollen Zügen genießen, dass ich am Leben bin. Ich kann aber auch einfach nur atmen, arbeiten, essen und schlafen. Meikes Wunsch, ihr Leben tanzen zu wollen, gefällt mir. Es macht mich neugierig, welche Vorstellungen und Wünsche sie an ihr Leben hat. Gespannt lese ich, wie sie von ihrer Krankheit erfährt, geschockt ist, sich darauf einstellt und zu schreiben beginnt, um mit anderen ihre Wahrnehmungen und Empfindungen zu teilen. Beeindruckt von ihrem Lebenswillen lese ich: „Angst habe ich. Aber nicht Angst zu sterben, dafür bin ich mir zu sicher, weiterhin zu stark und zu kämpferisch zu sein, um diese SCHEISSKRANKHEIT nicht zu überleben.“(S.14)

Ihre größte Angst ist es zu vergessen, wie sehr sie ihr Leben liebt. Genau diese Liebe zu ihrem Leben ist in jedem Buchstaben dieses Buches zu spüren. Zwei Jahre erträgt sie ständige Übelkeiten, Erbrechen, zerstörte schmerzhafte Mundschleimhäute, entzündete Blutgefäße und Zehen, Haarausfall! Sie kann kein freies selbstbestimmtes Leben mehr als Studentin führen. Zwischen diesen sehr genau registrierten, schmerzvollen Erfahrungen bricht immer wieder ihre unbändige Lust am Leben durch, ihr Wunsch nach leidenschaftlicher Erotik mit einem Mann, ihr Traum von Kindern und ihre Vorliebe für gutes Essen, Schminke und Kleidung. In einem Satz ist noch die Rede von der Chemotherapie und ihren Folgen, im nächsten von der Sehnsucht einer jungen Frau: Ein ständiges Wechselbad der Gefühle. Ich gehe beim Lesen mit in diesen ständigen Wechsel. Schmerzlich berührt mich ihr Leid, aber auch freudig die Liebe, die sie bekommt und gibt.
Je mehr ich von Meike Schneider las, desto mehr hatte ich das Gefühl, ihr persönlich zu begegnen. Erstaunt hat mich, dass sie, obwohl sie viel erleiden musste, Schönes und Schönstes hat erleben können. Ihren 21. Geburtstag feiert sie im Krankenhaus. Sie stellt fest: „Das war der Schönste in meinem Leben.“

Wunderbar empfinde ich, wie intensiv die Beziehungen zwischen Meike Schneider und ihren Eltern, Schwestern, Freundinnen und Freunden in dieser Zeit gewesen sind. Ich habe das Gefühl, sie konnte und wollte nicht nur Zuwendungen bekommen, sie hatte anderen viel zu geben und gibt es zum Beispiel mit dieser Schrift noch über ihren Tod hinaus. In ihrem Buch lebt, woran sie glaubte und wofür sie bis zum Schluss gekämpft hat: Ihre unbändige Lust am Leben.

Mich als Theologin, Seelsorgerin und Frau haben Meikes Gedanken sehr berührt. Darüber hinaus haben sie angeregt, über meine eigenen Beziehungen zu Menschen, zum Leben, Sterben und zum Tod neu nachzudenken. Darin liegt die große Chance dieses Buchs.

Carmen Berger-Zell

2. Auflage 2011,
kartoniert / 13,0×20,5 cm /
182 Seiten
ISBN 978-3-7615-5714-3