Mittendrin: verweilen, gedenken, trauern

Stelen aus Stahl, Bäume mit Bändern und Trauerkarten aus Holz: In Wuppertal gibt es den ersten öffentlichen Trauerort.

Wo früher Züge fuhren und heute Radfahrer:innen und Jogger:innen ihre Runden drehen, ist ein Platz zum Innehalten, Erinnern und Trauern entstanden. Am still gelegten Loher Bahnhof an der Nordbahntrasse stehen in Wuppertal auf einem Grünstreifen von rund hundert Quadratmetern Stelen aus Stahl, kleine Sitzgruppen und Bäume, die von einem schwarz-weißen Netz umspannt sind.

„Mit unserem Trauerort wollen wir das Thema in den öffentlichen Raum bringen, mitten ins Leben, wo Bewegung und Begegnung stattfindet“, sagt Katharina Ruth, Leiterin des Hospizdienstes Pusteblume der Diakonischen Altenhilfe. Gemeinsam mit den anderen drei ambulanten Hospizdiensten in Wuppertal, dem Ambulanten Hospizdienst des Caritasverbandes Wuppertal/Solingen, Christlichen Hospizdienst im Wuppertaler Westen und Hospizdienst Lebenszeiten hat sie den ersten öffentlichen Trauerort außerhalb der Friedhöfe initiiert.

Die Idee entstand bereits im ersten Lockdown der Coronakrise, als viele Menschen von verstorbenen Angehörigen nicht angemessen Abschied nehmen konnten und Begegnungen mit anderen Trauernden kaum möglich waren. „Viele haben sich sehr alleine gefühlt und einen Ort vermisst, an dem sie ihre Trauer ausdrücken, aber auch Anteilnahme erleben konnten“, weiß Katharina Ruth. Der Friedhof sei nicht für alle der richtige Ort, insbesondere wenn Angehörige dort gar nicht begraben seien, sondern in anderen Städten oder gar Ländern.

Bänke zum Schweigen und Reden

Katharina Ruth auf der „Trauerbank“, die zum Gespräch einladen soll

Am neuen Trauerort laden Sitze ebenso zum stillen Erinnern ein wie zum Gespräch mit anderen Besucher:innen des Platzes. Einmal in der Woche wird ein Mitarbeitender der Hospizdienste vor Ort sein und für Gespräche zur Verfügung stehen. Über einen QR-Code an einer Tafel kommen Interessierte außerdem auf eine gemeinsame Homepage  der vier Hospizdienste, die in verschiedenen Sprachen über die vielen Angebote für Trauernde in der Stadt informiert.

An eine Baumgruppe, die mit einem Netz aus weißen und schwarzen Bändern umspannt ist, können Karten aus dünnem Holz gehängt werden. Wer möchte, darf die in einer Stehle bereit liegenden Karten und Kugelschreiber nutzen, um darauf seine Gedanken zum Thema Abschied, Trauer und Tod aufzuschreiben.

Trauer in Worte fassen

An die Bänder des Baumes können Erinnerungskarten gehängt werden

„Für viele Menschen ist es ein hilfreiches Ritual, wenn sie schriftlich in Worte fassen, warum sie trauern“, erklärt die Leiterin des Hospizdienstes. „Das kann übrigens auch der Abschied von Träumen, Berufswünschen oder Freundschaften sein.“ Diese Worte können wiederum andere berühren, ermutigen und trösten, denn, so betont Katharina Ruth: „Abschiede sind oft mit Trauer verbunden. Aber sie gehören zu jedem Leben.“

Die Stelen aus Cortenstahl sind rund um den Trauerort in Wellenform angebracht. Ein Symbol dafür, dass Trauer nicht in einem linearen Prozess erfolgt, sondern mal weniger und stärker empfunden wird und das Leben beeinflusst. Hospizdienstleiterin Katharina Ruth wünscht sich, dass dieser erste öffentliche Trauerort, der sich an alle Menschen in der Stadt – unabhängig von ihrer Religion und Herkunft – richtet, nicht der einzige in Wuppertal bleibt.

Text und Fotos: Sabine Damaschke

 

 

19. Oktober 2022