Meditation

Ein Vorschlag

Ich mag dich nicht, und doch muss ich mich mit dir auseinander setzten.
Immer wenn ich nach Hause komme, sitzt du schon da. Aber auch, wenn ich nach draußen gehen will, heftest du dich an meine Fersen, weichst nicht von meiner Seite.
Sitze ich mit Freunden zusammen, sitzt du neben mir, versuche ich dich weg zu drängen, grinst du mich höhnisch an und flüsterst mir ins Ohr: “ Die sehen dich doch gar nicht – merkst du denn nicht, dass sie sofort das Thema wechseln, wenn du von deiner Trauer redest?“ Ich will nicht, dass du mir das sagst, aber ich spüre den Stachel in mir. Ja, neulich, als die Waschmaschine kaputt ging, hast du mich ausgelacht, weil ich nicht wusste, wen ich anrufen soll und wer mir bei der Entscheidung helfen kann. So gerne möchte ich verreisen und habe doch Angst davor, dass du meine einzige Reisebegleiterin sein wirst, dass wir schweigend am Tisch sitzen werden, während um uns herum die Paare fröhlich tanzen. Mehr und mehr gehörst du zu mir und doch hasse ich dich und doch bist du mir schon so vertraut. Durch dich fühle ich mich wertlos, klein, unsichtbar – oder bist du bei mir, weil ich so fühle? Niemand mag dich, keiner gibt zu, dass du da bist – auch ich nicht, das würde bedeuten eine Unzulänglichkeit zuzugeben. Denn besiegen kann ich dich nicht. Je mehr ich versuche, dich aus meinem Leben zu verjagen, desto mehr klebst du an mir. Soll ich dich ignorieren? Da sorgst du schon dafür, dass dies mir nicht gelingt.
Ich denke, ich werde dich einladen zu mir, dir einen Platz geben in meinem Leben, du bist mein Gast, ein ungebetener zwar, aber Gast. Das heißt für mich, dass ich bestimme, wie ich dich bewirte, wie bequem ich es dir machen will und wann ich dich auch mal in die Schranken weise. Vielleicht hast du dann auch keine Lust mehr, dauerhaft bei mir zu wohnen. Ich denke, so halten wir es miteinander aus, ich und du, meine Einsamkeit.

Tabitha Oehler