„Die Trauer ist eine Rampensau“

Nach einem Verlust drängen Wut, Angst oder Scham nach vorne und wollen im Mittelpunkt stehen. Doch über die Trauer zu reden, dazu habe eigentlich niemand wirklich Lust, ist die Erfahrung der Autorinnen Susann Brückner und Caroline Kraft. Mit ihrem Podcast „endlich. Wir reden über den Tod“ und dem Buch „endlich. Über Trauer reden“ wollen sie das ändern.

Die hilflosen Blicke der anderen, die eigenen Augen, die leer auf den Bildschirm schauen und das konzentrierte Arbeiten unmöglich machen, dazu das Gefühl der Schuld, weil andere anscheinend besser mit ihrer Trauer zurechtkommen: So beschreibt die in Berlin lebende Autorin Caroline Kraft (Foto re.) ihr Leben und Erleben nach dem Suizid eines ihr sehr nahestehenden Freundes.

Vom Gespräch zu Blog, Podcast und Buch

„Wenn du jemanden brauchst, der dich nicht betroffen anschaut, dann melde dich“, diese Mail erhielt sie in dieser Zeit von Kollegin Susann Brückner, die sie bis dahin nur oberflächlich gekannt hatte. Autorin Susann Brückner kennt wiederum die Trauer: Sie hatte 15 Jahre zuvor ihren Vater durch den Suizid verloren. Die beiden Frauen treffen sich in einer Kneipe und sprechen über ihren Verlust, über ihr Leben und ihre Gefühle. Zwischen Weinen und Lachen, Erinnern und Beschreiben stellen sie fest: „Über die Trauer reden, das geht, und wir bleiben dabei und danach dieselben Personen, die wir sind.“

Aus dem Treffen entstanden ein gemeinsamer Blog und der mittlerweile vier Jahre alte Podcast „endlich: Wir reden über den Tod“. Jetzt haben Caroline Kraft und Susann Brückner das Buch „endlich. Über Trauer reden“ herausgebracht. Trauer sei ein Prozess, durch den wir lernen, mit unseren Verlusten zu leben, beschreiben die Autorinnen das Geschehen nach dem Tod eines nahestehenden Menschen.

Die Regeln, die es nicht gibt

Menschen trauern unterschiedlich, und es kursieren weitverbreitete Irrtümer darüber, was passiert, wenn ein geliebter Mensch stirbt: Das ist Fazit ihrer Gespräche mit anderen Betroffenen, ihrer Recherchen und ihres eigenen Erlebens. „Trauer kennt keine Regeln, aber sie ist gestaltbar. Sie tut weh, aber sie ist wertvoll“, so auch das Fazit des Buches.

Es sei höchste Zeit, Geschichten über das Trauern zu erzählen – darunter krasse und zärtliche, schöne und wütende, fiese, berührende und überraschende. „Wir können den gesellschaftlichen Umgang mit Trauer nur verändern, indem wir darüber reden: endlich.“

Die Sache mit dem Loslassen

In ihrem Buch wechseln sich Caroline Kraft und Susann Brückner kapitelweise ab, um über Tod und Trauer zu sprechen, sie geben Empfehlungen für Bücher, Filme und Musikstücke und beschäftigen sich mit wissenschaftlichen Aspekten der Trauer und ihrer Klassifizierung als Erkrankung. Schnell wird deutlich: Es gibt keine Regeln oder Konzepte, die auf jeden Menschen passen.

Denn auch wenn sich die Trauer wie eine Rampensau nach vorne dränge: „Trauer ist ein Partykiller“, das erlebten die Autorinnen ebenso wie viele andere trauernde Menschen auch. Doch schweigen helfe nicht weiter: „Früher oder später steht die Trauer bei uns allen auf der Matte.“ Gut, sei es dann, wenn wir uns vorher mit ihr beschäftigt haben: „Dann sind wir vorbereitet.“

Und auch mit dem vielfach angestrebten „Loslassen“ räumen Susann Brückner und Caroline Kraft in ihrem Buch auf: „Muss man das? Wenn es hilft, okay, sonst ist das so eine Sache …“ Denn die Liebe gehe nicht einfach weg, weil einer sterbe. Dieser Mensch habe vielmehr einen neuen Platz, eine neue Rolle im eigenen Leben und bleibe wichtig.

„endlich. Über Trauer reden“, Goldmann, München, 240 Seiten, mit Illustrationen von Tine Fetz. ISBN 978-3-442-31633-5

Foto: Christian Werner

 

25. April 2022