Der Friedhof als Ausflugsziel

Für viele Menschen ist der Friedhof ein Ort der Hoffnung und des Gedenkens an verstorbene Angehörige. Er kann aber auch ein Ort der Ruhe sein, ein Ort des Zusammentreffens oder eine historische und kulturelle Begegnungsstätte.

Im Sommer liegt es nahe, Parks bei sonnigem Wetter aufzusuchen, aber auch   Friedhöfe sind einen Besuch wert – selbst dann, wenn dort niemand beerdigt wurde, den man kannte.

Viele Friedhöfe, vor allem die älteren, verfügen über einen alten Baumbestand, wie er im weiteren städtischen Gebiet oft nur noch selten vorzufinden ist. Die Bäume bilden einen Lebensraum für Insekten und Kleintiere und sind somit ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Manche Friedhöfe grenzen an einen Wald, der zu einem Spaziergang einlädt, andere erstrahlen durch ihre Bepflanzung in bunten Farben. Ein Friedhof kann ein Ort der Erholung und die grüne Lunge der Stadt sein. Häufig ist dort eine vielseitige Flora und Fauna zu finden und er ist nicht zuletzt ein Ort, „an dem die Natur und Schöpfung einen Platz haben“, sagt Cornelia Böhm, Dezernentin für Friedhofswesen der Evangelischen Kirche im Rheinland. Für sie gibt es unterschiedliche Aspekte, die einen Friedhof sehenswert machen: „Das kann ein Ensemble von Bäumen sein, der Blick in die Weite von einem Friedhof auf einem Hügel oder auch historische Grabsteine.“ Dabei geht es gar nicht darum, dass Friedhöfe akkurat gepflegt sein müssen. „Manchmal haben verwunschene Botanik und Grabsteine eine besondere Atmosphäre und erzeugen einen ganz eigenen Charme dieser Orte.“

Meditation

Welcher Ort würde sich wohl besser zum Gebet oder zur Meditation eignen, als ein Ort der Stille mit Bezug zur Natur? – So vielseitig die verschiedenen Meditationsarten sind, so vielseitig können auch die Orte sein, an denen man meditieren kann. Wer in seiner Meditation verstorbener Angehöriger oder auch fremder Verstorbener gedenken möchte, kann dies an den unterschiedlichen Gräbern tun und wer seinen Gedanken freien Lauf lassen möchte, setzt sich auf eine der vielen Bänke im Freien, die den Friedhofbesuchern zur Verfügung stehen. Auch angelegte Wege bieten optimale Voraussetzungen für eine Gehmeditation – einen achtsamen und bewussten Spaziergang, bei dem man den Gedanken freien Lauf lassen kann. Auf dem evangelischen Friedhof Norrenberg in Wuppertal gibt es beispielsweise schlängelnde Wege, die von gewölbten Metallplatten mit Bibelsprüchen gesäumt werden: „Das packt einen, das inspiriert einen“, sagt die Dezernentin für Friedhofswesen der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Eine angeleitete Gehmeditation gibt es auf dem evangelischen Friedhof am Wasserturm in Mönchengladbach. Dort gibt es einen Meditationsweg des Gladbacher Künstlers Wolfgang Frenken, auf dem die sechs Stationen zum „Erkennen“ und einem Dialog einladen. Der Weg verändert die eigene Perspektive und eröffnet neue Blickwinkel, indem er den Blick auf die Natur, den Himmel, den Glauben, Gott und sich selbst lenkt.

Ort der Geschichte

Friedhöfe sind Orte der Geschichte. Nicht nur der städtischen, da sie meist in das Stadtbild integriert werden, sondern auch architektonischer und persönlicher Natur. Wie wurden damals Grabsteine gestaltet, wie heute? Was sagt der Grabstein oder die Gestaltung des Grabes über den Verstorbenen und seine Hinterbliebenen aus? Der Blick in die Vergangenheit kann einem helfen, ein Gefühl für das Leben der Menschen zu bekommen, die von uns gegangen sind.

Die meisten Friedhöfe sind bereits mehrere hundert Jahre alt und bieten trotz der Instandhaltung und Anpassung an aktuelle Bedürfnisse einen idealen Ort für eine kleine Zeitreise. Der evangelische Friedhof am Untertor in Bad Homburg v.d. Höhe hat sogar QR-Codes auf historisch wertvollen Grabmälern, darüber können die Besucherinnen und Besucher  geschichtliche Intergrundinformationen über ihre Handys abrufen.

Interaktives Zusammensein

Da nicht jeder Friedhof über QR-Codes verfügt, bieten immer mehr Friedhöfe historische Führungen an. Auch Führungen für Kindergärten, Lesungen, Konzerte oder Plätze für ein kommunikatives Beisammensein sowie Cafés werden zunehmend in zeitgemäße Friedhofskonzepte integriert.

Friedhöfe sind inzwischen so vielseitig wie die Persönlichkeiten, die auf ihnen begraben werden. Sie bieten Raum für verschiedene Lebewesen, laden zum Verweilen, Beten, Meditieren, aber auch zum Lernen oder Kennenlernen ein. Im Sommer zeigt sich zudem die Pflanzenwelt auf den Friedhöfen von ihrer buntesten Seite. Wem der Stadtpark zu voll und laut ist, findet auf Friedhöfen eine ruhige Alternative.

21. August 2018